Der Wohnungsmangel in deutschen Groß- und Universitätsstädten ist nichts Neues. Das treibt natürlich die Preise, dafür sorgen die unsichtbare Hand des Marktes, oder die gierigen Vermieter - das kommt auf die politische Perspektive an. Gerade weil freie Wohnungen Mangelware sind, ist es besonders ärgerlich, wenn man aus dem geliebten Heim irgendwann raus muss, weil man sich die krassen Mieterhöhungen nicht mehr leisten kann.
Nach § 558 BGB kann der Vermieter die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Jedoch darf die Miete innerhalb von drei Jahren nicht um mehr als 20 Prozent steigen. "Kappungsgrenze" nennt der Gesetzgeber diese maximal zulässige Mieterhöhung. Am 1. Mai 2013 wurde der Paragraf geändert. Seither gilt: Wenn in einer Gemeinde Wohnungsmangel herrscht ("die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen [...] besonders gefährdet ist"), kann die Kappungsgrenze von 20 auf 15 Prozent gesenkt werden.
In dem Bundesgesetz steht allerdings nicht, wie Wohnungsmangel definiert ist. Es ist an den einzelnen Landesregierungen, diese Gemeinden zu bestimmen. Die baden-württembergische Regierung hat also seit über zwei Jahren die Möglichkeit, durch die Absenkung der Kappungsgrenze die Mieter in Städten mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt zu entlasten.
Die gute Nachricht: Sie hat es jetzt endlich getan, ab 1. Juli 2015 gilt in 44 Städten und Gemeinden die niedrigere Kappungsgrenze von 15 Prozent. Hierzu beschloss das Kabinett am 9. Juni eine Rechtsverordnung. Allerdings stellt sich die Frage: Warum hat das so lange gedauert? Schließlich war Baden-Württemberg schon 2013 ein Land mit vielen teuren Städten. Im F+B-Mietspiegelindex von 2012 liegen 15 der 30 teuersten Städte in Baden-Württemberg, aktuell sind es 16 von 30. Andere Bundesländer waren wesentlich schneller mit der Absenkung der Kappungsgrenze. Allen voran Bayern, das schon am 15. Mai 2013 (also zwei Wochen nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung) die 15-Prozent-Grenze für die Landeshauptstadt München einführte. Und nur zehn Wochen später, am 1. August 2013, folgte dann die Absenkung in 89 weiteren Gemeinden.
Wieso war Bayern so schnell?
Schon bevor das veränderte Bundesgesetz in Kraft trat, bereitete das Land Bayern eine schnelle Umsetzung vor. Das Justizministerium befragte alle 252 Städte und Gemeinden, die eine der folgenden drei Eingangsvoraussetzungen erfüllten: Die Gemeinde war in der damaligen Gebietskulisse der Wohnungsgebieteverordnung enthalten (verlängerte Kündigungsfrist bei Wohnungsumwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im Sinne des § 577a BGB), die Einwohnerzahl der Gemeinde betrug mindestens 50 000 Einwohner, oder die Gemeinde gehörte der Planungsregion 14 an (München und umliegende Landkreise).
Diese Gemeinden konnten einen Antrag auf Aufnahme in die neue Wohnungsgebieteverordnung stellen, der Antrag musste auf einem Gemeinde- oder Stadratsbeschluss beruhen. Die Festlegung, wo Wohnungsknappheit herrscht, wurde also in die betroffenen Städte und Gemeinden selbst getragen. Dazu erklärt Thomas Pfeiffer, Staatsanwalt und stellvertretender Pressesprecher am bayerischen Justizministerium: "Durch das gewählte Verfahren konnte auf solider Grundlage die Bewertung vorgenommen werden, in welchen Gebieten Bayerns ein angespannter Wohnungsmarkt im Sinne des § 558 Absatz 3 BGB gegeben ist. Die Einbindung der Städte und Gemeinden vor Ort war dabei wichtig, da diese den örtlichen Wohnungsmarkt am besten kennen."
5 Kommentare verfügbar
Rolf Gaßmann
am 22.06.2015Dagegen soll die Mietbreisbremse für Wiedervermietungen erreichen, dass Vermieter sich am Mietspiegel orientieren…