Dass ein Gutachten zu S 21 kritisch beobachtet und wenn möglich durchgestochen wird, ist auch nicht überraschend. Warum haben Sie das Gesetz des Handelns aus der Hand gegeben?
Ich bin zwar schon lange in der Politik, hätte aber nie gedacht, dass dieses Gutachten zu einem Skandal gemacht werden könnte. Wir haben ein Bahngutachten von 2009 fachlich von PTV überprüfen lassen. Diese Prüfung war Ende 2012 fertig. Da die Bahn in der Zwischenzeit aus Brandschutzgründen entschieden hatte, mehr Treppenhäuser zu bauen, hatte sich die Frage der Personenströme grundlegend verändert. Damit war nicht nur das alte Bahngutachten hinfällig, sondern auch die Prüfung desselben.
Warum haben Sie das PTV-Gutachten dann nicht ins Netz gestellt?
Wir wollten es mit Erläuterungen veröffentlichen. Denn es ist nicht nur überholt, sondern auch widersprüchlich und keineswegs nur positiv für die Bahn. Dass uns ausgerechnet die Bahn, die es zuerst bekommen hat, Geheimnistuerei vorwirft, ist dreist und daneben.
Der Liebling der Medien sind Sie nicht gerade. Woran liegt's?
Verkehrsthemen sind generell populär und strittig – von S 21 bis zur Kunst im Kreisverkehr. Und im Autoland Baden-Württemberg ist eine neue, an Nachhaltigkeit orientierte Mobilitätspolitik, die nicht mehr jedem Bürgermeister eine Umgehungsstraße verspricht, nicht einfach umzusetzen. Die Medien und die Journalisten spiegeln diese Diskussionen wider. Wir haben es nicht nur mit einem Sanierungsstau, sondern auch mit einem Modernisierungsstau zu tun – auch in der politischen Debatte.
Jedenfalls haben Sie mal wieder gehörig Feuer bekommen. Wie stecken Sie das weg? Und sagen Sie jetzt bitte nicht: Wer die Hitze nicht verträgt, sollte nicht Koch werden!
So einen Satz würde ich nie sagen. Mit inhaltlichen und argumentativen Angriffen setze ich mich gerne auseinander. Ärgerlich sind Unterstellungen, Ignoranz und persönliche Angriffe. Die Opposition agiert gerne nach dem Motto: Es gilt das gesprochene Vorurteil. Das weckt allerdings auch meinen Kampfgeist, um weiter für neue Mehrheiten in der Verkehrspolitik zu werben.
Sie vermissen den Respekt und die Fairness im Landtag?
Nichts gegen Zwischenrufe, aber was die Opposition im Landtag vom Stapel lässt, ist bisweilen unterirdisch. Das hätte ein Bundestagspräsident nicht ohne Rüge durchgehen lassen. Anfangs ging es hauptsächlich gegen mich, inzwischen machen meine KabinettskollegInnen ähnliche Erfahrungen.
Ihr Parteifreund Rezzo Schlauch war auch ein gefürchteter Zwischenrufer, aus der Opposition ruft sich's nun mal leichter.
Ja, das stimmt. Aber es kommt nicht allein auf die Zahl, sondern auf die Qualität der Zwischenrufe an.
Das klingt, als hätten Sie Heimweh nach Berlin, wo Sie zuletzt den Verkehrsausschuss geleitet haben.
Nein, Heimweh habe ich nicht, schließlich komme ich aus Baden-Württemberg. Als verkehrspolitischer Sprecher und als Ausschussvorsitzender habe ich mir den Ruf erarbeitet, fachlich fit, engagiert und fair zu sein. Diesen Ruf verteidige ich hier im Land gegen unsachliche und persönliche Anwürfe.
Viel Feind, viel Ehr – das kennt der Verkehrsminister aus seiner politischen Vita. Angeeckt sind Sie schon immer, egal, ob Sie in Rollschuhen in den Landtag geskatet sind oder als Ströbele des Südens gegen den Afghanistankrieg argumentiert haben. Wenn's zu viel wird, geht der ehemalige Sportlehrer dann rennen wie Parteifreund Joschka Fischer?
Ich laufe regelmäßig und gehe auch ins Studio, aber ich laufe nicht davon. Wenn Probleme da sind, muss ich diskutieren, abwägen, lesen. Und wenn es sein muss, lass ich eine Entscheidung ruhen.
Für die S-21-Gegner sind Sie der Verräter. Tut das mehr weh als die kalkulierbare Kritik aus der Oppositionsecke?
Die Koalition mit der SPD kam nur zustande, weil wir gesagt haben, wir machen in dieser Dissensfrage eine Volksabstimmung. Dann kommt bei der Abstimmung klar raus, dass es keine Mehrheit gibt, um aus dem Projekt auszusteigen, nicht einmal in Stuttgart. In einer Demokratie kann man als Bürger weiter demonstrieren und sagen, das Projekt ist grundfalsch und sauteuer. Aber als Regierung hat man diese Option nicht. Schon gar nicht, wenn es in der Koalition einen Konflikt gibt und man vereinbart hat: Egal wie das Ergebnis ausgeht, es muss von Grün oder Rot akzeptiert werden. Das haben wir uns versprochen.
37 Kommentare verfügbar
Thymus citriodorus
am 30.04.2014Der Herr Verkehrsminister- erkennbar links ist nur (noch) sein Ohrring, je nachdem von welcher Seite man schaut. Setzten Sie/Ihr sich/Euch…