Es sei die größte gesellschaftspolitische Herausforderung, den sozialen Frieden in unserem Land zu sichern und dafür müsse man unter anderem die Zuwanderung drastisch begrenzen. Mit diesen Worten zitiert der SWR den AfD-Mann Volker Münz in seinem Kandidatencheck zur Bundestagswahl 2021. 2017 war der Diplom-Ökonom in den Bundestag eingezogen, war Mitglied des Haushaltsausschusses und kirchenpolitischer Sprecher der Fraktion. Den Klimaschutz vor allem priorisieren? Mietendeckel? Stimme ich überhaupt nicht zu, antwortet der Uhinger damals. Den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste er mit seinen Positionen.
Da man nach nur einer Legislaturperiode noch keinen vollen Pensionsanspruch hat, stellt sich also die Frage: Was nun? In der Wochenzeitung "Junge Freiheit", einem der Sprachrohre der Neuen Rechten, findet sich zu der Zeit eine Kleinanzeige von einem Herrn Horst Wörner. Der sucht bereits seit 2017 einen Nachfolger für sein Amt als Leiter des Gerhard-Hess-Verlags, damals noch ansässig in Bad Schussenried im Landkreis Biberach. Wie Münz auf dieses inserierte Angebot aufmerksam wurde, ist Mutmaßung, aber die Annonce hat sich gelohnt: Seit Anfang 2023 sitzt er im Chefsessel.
Gerhard-Hess-Verlag: reaktionäres Sammelsurium
Laut Eigenangabe wurde der Verlag 1946 durch Gerhard Hess mit Genehmigung der amerikanischen Militärverwaltung in Ulm gegründet. Von 1994 bis 2022 führte der bereits erwähnte Horst Wörner den Verlag. Schon damals ging es nicht nur um nationalkonservative Bücher, sondern auch um Vernetzung und Zusammenarbeit mit rechten Gruppen. Im Mai 2014 organisierte der Verlag in Stuttgart die Vorstellung des bei Hess neu erschienenen Buches "Mythos und Entzauberung. Politische Mythologie der Moderne" von Jost Bauch. Beteiligt war an der Organisation das "Studienzentrum Weikersheim" – ein Thinktank der Neuen Rechten. Jost Bauch, ehemaliger Mitarbeiter von Alice Weidel war sieben Jahre lang Vorsitzender in Weikersheim und außerdem Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.
Zu lesen gab und gibt es beim Gerhard-Hess-Verlag eine Sammlung aus rechten und reaktionären Inhalten. 2012 erschien "Frauenfeindlich – Wie Frauen zur Ungeborenentötung gedrängt werden" von Martina Kempf, die heute für die AfD im Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald sitzt. Ihr Mann Volker Kempf, ebenfalls für die AfD im selben Kreistag, ist Vorsitzender der rechts-ökologischen Herbert-Gruhl-Stiftung, auch dessen jährlichen Sammelband "Naturkonservativ" gab zeitweise der Gerhard-Hess-Verlag heraus. 2016 erschien ebenfalls bei Hess die Biografie des verstorbenen Neonazis Michael Kühnen von Werner Bräuninger, 2017 ein Buch von Pierre Rieffel, eines verurteilten Rechtsterroristen und Mitglied der Schwarzen Wölfe aus dem Elsass.
AfD-Verleger und Hobby-Kreuzritter
Ein rechtsgebundenes Erbe, das Volker Münz da angetreten ist. Seit Anfang 2023 sitzt der Verlag in Uhingen, dem Wohnort von Münz. Und wie in anderen Verlagen auch, haben Verleger:innen einen Einfluss auf die Veröffentlichungen.
Münz ist einer der bekanntesten Vertreter der christlichen Rechten in der AfD, die sich als "Christen in der AfD" (ChrAfD) organisieren. Die ChrAfD ist keine offizielle Partei-Gliederung, gehört aber zum unmittelbaren Vorfeld der Partei. Münz fühlt sich der "Altpietistischen Gemeinschaft" innerhalb der Landeskirche zugehörig und war zeitweise Kirchengemeinderat in der evangelischen Kirchengemeinde Uhingen und bis 2019 Mitglied der evangelischen Bezirkssynode Göppingen.
Bereits seit März 2013 ist er AfD-Mitglied, ab April 2018 war er stellvertretender evangelischer Sprecher der Bundesvereinigung der ChrAfD. Münz ist also so etwas wie der AfD-Botschafter in konservativ bis fundamentalistisch christlichen Kreisen. Schon im Dezember 2017 meinte er: "Das Programm der AfD hat sehr große Schnittmengen mit den christlichen Überzeugungen, wie das Thema Lebensrecht für Ungeborene, die Hilfe für Menschen in Not, die Familie als schutzbedürftiger Kern der Gesellschaft und die Ehe als gottgewollte Verbindung zwischen Mann und Frau."
Die Amtskirchen beziehungsweise deren liberalen Mainstream zählt er aber zu seinen Feinden. So meinte er 2018 in einem Interview mit dem österreichischen rechten Magazin "Neue Ordnung": "In Folge von 1968 wurden die Kirchen dann mit kulturmarxistischem Gedankengut infiltriert, z.B. mit dem menschlichen Machbarkeitswahn, Fortschrittsgläubigkeit, der Geringschätzung von Traditionen, bürgerlichen Werten und Institutionen, dem Feminismus und der Gender-Ideologie."
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Bernd L.
am 24.03.2024