KONTEXT:Wochenzeitung
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Schulprojekt Bismarckschule Stuttgart

Die 8b macht Zeitung

Schulprojekt Bismarckschule Stuttgart: Die 8b macht Zeitung
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Kontext geht in die Schule. Und zwar in die Bismarckschule in Stuttgart-Feuerbach. Gemeinsam mit Jennifer Kurrle, der Klassenlehrerin der 8b, diskutieren wir mit 23 Schüler:innen in den kommenden Wochen über Presse, Journalismus, Fake News und Recherche. Das Ziel: eigene Artikel schreiben, die dann in Kontext veröffentlicht werden.

"Fake News ist, wenn einer sagt, ich hab' meinem Nebensitzer das Bein abgehackt und das stimmt gar nicht." – "Und wie findest du das heraus?" – "Ich frage beim Nebensitzer nach." Recht hat der Schüler, genau so geht's: Nachdenken und nachfragen. In der vergangenen Woche war Kontext zum ersten Mal in der Bismarckschule in Stuttgart Feuerbach. Mit der 8b der Werkrealschule soll eine Zeitung entstehen mit Texten der 23 Schüler:innen. Sieben Wochen Zeit ist nicht viel, also geht es am ersten Tag gleich zur Sache. Während die Schüler:innen einen recht entspannten Eindruck machen, sind Kontext-Chefredakteurin Anna Hunger und ihre Vize Gesa von Leesen freudig nervös. Interessiert die Schüler:innen das überhaupt? Machen sie mit? Beide sind neugierig, was sie erleben werden. Denn natürlich bewegen sich auch Journalist:innen oft in Blasen, an Schulen sind sie selten. Vorweg: Es funktioniert. Sehr gut.

Die 8b hat ihren Raum im dritten Stock des altehrwürdigen Gebäudes. Über breite Treppenaufgänge geht es hinauf zu den Schüler:innen. Die haben an diesem Tag bereits vier Stunden hinter sich, Klassenlehrerein Jennifer Kurrle erledigt noch Organisationskram: Adresslisten überprüfen, wer geht in Reli, wer in Ethik, Geld einsammeln für Material für die Wahlpflichtfächer, Regeln wieder erklären – zum Beispiel: Wer mit Kaugummi erwischt wird, muss am Ende des Schultages beim Putzen des Klassenzimmers helfen. Und die achten Klassen müssen sich zu Beginn dieses Schuljahres auch auf neue Mitschüler:innen einstellen. Denn beim Sprung von der Siebten in die Achte hat die Schule es geschafft, aus zwei Zügen drei zu machen, damit nicht mehr so viele in einer Klasse sind. Das heißt auch, Abschied nehmen von der gewohnten Gemeinschaft und sich auf neue Banknachbar:innen einstellen.

Fake News und Aliens in Mexiko

In diesem ersten Treffen geht es darum, welche Zeitungen die jungen Leute kennen (einer die Stuttgarter, ein paar das Wochenblatt) und woher sie ihre Informationen holen. "Tiktok", "Google", "Radio", "manchmal Nachrichten im Fernsehen mit meiner Mutter", "Al Jazeera". Und was ist gerade so los auf der Welt? "In Mexiko wurden Aliens gefunden!", weiß einer, ein anderer: "Und irgendwo in der Arktis ein Yeti oder so was."

Das läuft direkt auf das Thema Fake News raus. Was ist das, wie können sie erkannt werden? Da sind die Jungs und Mädchen recht firm. "Man muss schauen, wer da was postet." "Man muss überlegen, ob das stimmen kann." So ist es. An erster Stelle steht mal: Nachdenken. Ist die News wahrscheinlich? Wer verbreitet sie? Warum? Eine lebhafte Debatte entspinnt sich an der Frage: was, wenn gepostet wird, dass morgen die Welt untergeht? "Würde ich nicht glauben", sagt einer der Schüler. Und wenn Anna Hunger postet: "Morgen geht die Welt unter. Aber wenn ihr alle mir euer Geld gebt, kann ich das verhindern", was dann? "Glaube ich nicht. Sie kennt ja niemand." Außerdem: Wie soll Geld den Weltuntergang verhindern können? Jemand sagt: "Ich würde die Nasa anrufen und da fragen, weil die sich mit Weltraum auskennt. Meteoriten und so." Ganz genau.

Kurze Youtube-Filme werden eingespielt: Enten, die angeblich an einer roten Ampel warten und bei grün loswatscheln. Fake oder echt? "Fake", ist sich ein Schüler sehr sicher. "Die Enten werfen keine Schatten, außerdem ruckelt das Bild an einer Stelle. Das ist animiert." Ein Filmchen, in dem eine Villa und Außenministerin Annalena Baerbock gezeigt wird, dazu dramatische Musik und eine warnende weibliche Stimme: "Diese Villa in Wien hat Annalena Baerbock für sieben Millionen Euro gekauft. Woher hat sie das Geld!?" Wer ist eigentlich Annalena Baerbock? "Außenministerin", sagt eine Schülerin. Genau. Ist das Video Fake oder echt? "Fake. Das ist ja gar keine Villa", heißt es. Eine Schülerin: "Die werden doch total bewacht, die Adressen von den Politikern kennt niemand." Okay, aber vielleicht hat das jemand recherchiert? Hmmm. Wie wäre herauszufinden, ob die Behauptung stimmt? "Google-Suche." Korrekt: Screenshot und das Bild über Rückwärtssuche laufen lassen. Hunger: "Dann kommt raus, die Villa liegt nicht in Wien, sondern ganz woanders. Das ist eine Lüge." Warum? "Um die Außenministerin schlechtzumachen."

So geht es weiter. Nein, die angebliche Ratte auf einem Dönerspieß ist nicht wie im Film behauptet in Neukölln, sondern in Saudi Arabien gefilmt worden. Und Donald Trump hat zu seiner Amtseinführung das Foto der Menge gepostet, das bei der Amtseinführung von Barack Obama gemacht wurde – weil bei Trump viel weniger Zuschauer:innen da waren.

Neues kennenlernen macht offener

In den kommenden Wochen werden mit den Schüler:innen Themen erarbeitet, über die sie in Gruppen schreiben wollen. Das Thema Recherche wird besprochen, Gesprächspartner:innen gesucht, die Schüler:innen interviewen sich gegenseitig, checken Fakten ihrer Texte. Das Projekt ist in den laufenden Unterricht integriert, und am Ende hoffen alle, klüger geworden zu sein.

Klassenlehrerin Kurrle ist begeistert über die Kooperation. "Ich finde es wichtig, dass meine Schüler:innen mit Menschen aus anderen Bereichen Kontakt haben, denn alles, was Menschen kennenlernen, macht sie offener, eröffnet mehr Teilhabe." Wenn sie zum Beispiel mit ihren Schüler:innen in ein klassisches Konzert gehe, dann trauen sie sich später auch mal, alleine dahin zu gehen. "Wenn sie mit Menschen aus den Medien zu tun haben, lesen sie vielleicht eher mal Zeitung, informieren sich anders, weil sie wissen, was dahintersteckt. Und das ist wichtig für die Demokratie und eine offene Gesellschaft." Nicht zuletzt hofft sie, dass die jungen Leute in dem Projekt einen Eindruck davon bekommen, dass es sich lohnt, gute Texte zu schreiben. "Ich erwarte nicht, dass sie am Ende Journalist:innen werden. Aber wer weiß?"


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