Gewartet haben sie bis fünf vor zwölf. Vergangenen Mittwoch, den 23. August, vermelden die Betreiber des "Bildblogs" in eigener Sache: "Wir können so nicht mehr professionell arbeiten", das lasse die finanzielle Lage nicht zu. Denn trotz etwa 30 000 BesucherInnen am Tag, berichtet Redaktionsleiter Moritz Tschermak, verdiene man durch Werbebanner auf der Onlineseite nur noch zwischen 200 und 700 Euro im Monat – deutlich zu wenig, um den Betrieb am Laufen zu halten.
Der Aufruf trägt schnell Früchte: Keine 24 Stunden später haben sich genügend UnterstützerInnen gefunden, die zusammen gut 2000 Euro im Monat beisteuern und dem Blog damit ein Existenzminimum sichern. Bei Tschermak klingt die Erleichterung in jeder einzelnen Silbe durch: "Wir haben natürlich gehofft, dass es weitergehen kann. Aber nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht." Ihr Monatsbudget reiche nun aus, den beiden festen Redakteuren – ihm und Lorenz Meyer – wenigstens den Mindestlohn auszuzahlen. Eine Woche später sind durch die Kampagne etwa 3000 Euro an monatlicher Unterstützung zusammengekommen, damit ist wieder ein wenig Budget vorhanden, um freie AutorInnen zu beauftragen.
Pioniere der Online-Medienkritik
Aktuell liegen Faktenchecks gegen Falschmeldungen und grob verzerrte Darstellungen voll im Trend. Das "Bildblog" gehört derweil zu den Pionieren der Medienkritik im Netz. Bereits seit 2004 dokumentieren die AutorInnen fehlerhafte Berichterstattung in Deutschlands größter Boulevard-Zeitung. Neben den meist ironisch-süffisanten Korrekturen gibt es auf der Seite auch eine Rechtsberatung (<link http: www.bildblog.de hilfe-ich-bin-in-bild-teil-1 external-link-new-window>"Hilfe – ich bin in der Bild"') oder den <link http: www.bildblog.de schlagzeilomat.html external-link-new-window>Schlagzeil-O-Mat, der – in leicht antiquierter Erscheinung eines einarmigen Banditen – zufallsgenierte, boulevardeske Überschriften ausspuckt, die häufig Nonsens sind ("Busen-Panne stürzt Hitler"), aber manchmal auch wortgleich in der Bild stehen könnten ("Drogen-Minister würgt Anwalt").
In der Anfangszeit des Blogs wurden dort ausschließlich die größten Verfehlungen der "Bild"-Zeitung aufgegriffen und richtiggestellt – in einem solchen Umfang, dass sich die damaligen Autoren Stefan Niggemeier und Christoph Schultheis irgendwann genötigt sahen, <link http: www.bildblog.de eine-rechnung-fuer-bildde external-link-new-window>eine Rechnung an den Springer-Verlag zu schicken, weil "Bild.de" offenbar entschieden habe, das "Bildblog als eine Art externe Schlussredaktion oder Korrektorat zu benutzen". Die Rechnung wurde jedoch nie bezahlt.
Auch im 13. Jahr nach Gründung ist die Kritik an der "Bild" der Schwerpunkt der Berichterstattung. Seit 2008 befasst sich das Blog allerdings auch mit den Irrtümern und fehlerhaften Berichten anderer Redaktionen, in der Serie <link http: www.bildblog.de ressort mut-zur-wirrheit external-link-new-window>"Mut zur Wirrheit" zum Beispiel mit den hanebüchenen Räuberpistolen des rechtspopulistischen "Compact-Magazins", oder in der Reihe <link http: www.bildblog.de ressort perlen-des-lokaljournalismus external-link-new-window>"Perlen des Lokaljournalismus" mit unsinnigen Formulierungen aus Lokalzeitungen ("Obduktion sorgt für Gewissheit: Vermisste Erdingerin ist tot") und rhetorischen Tritten ganz tief ins Fettnäpfchen ("Viele Besucher erkunden NS-Gelände ohne Führer"). Überwiegend stehen Boulevard-Zeitungen im Fokus der Kritik, doch regelmäßig auch seriöse Medienhäuser. Etwa wenn FAZ, "Spiegel Online" und die "Frankfurter Rundschau" übereinstimmend berichten, die <link http: www.bildblog.de medien-verbreiten-ehe-fuer-alle-unsinn-der-afd external-link-new-window>AfD wolle vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die "Ehe für Alle" klagen – obwohl sie das gar nicht kann.
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