Ach so, wenn es woanders schon ungerecht ist, dann kommt's da auch nicht mehr darauf an? Die Mehrwertsteuer trifft die Ärmeren auch mehr als die Reicheren.
Ja, das stimmt, das kann man diskutieren. Aber Sie möchten die Einkommensunterschiede kleiner machen. Ist das gerecht, oder ist es nicht eher gerecht, wenn man jeden Menschen befähigt, mit seinen Talenten und Möglichkeiten viele seiner Ziele im Leben zu erreichen? Wenn wir wirklich ein marktwirtschaftliches System und ein Wettbewerbssystem haben, ein gutes Bildungssystem, dann können sehr viele Menschen, wenn sie das wollen, reich werden. Nicht jeder Mensch möchte übrigens reich werden. Was also ist eine gerechte Gesellschaft? Eine, in der alle das Gleiche haben, oder eine, in der jeder seine Ziele erreichen kann?
Ich kritisiere, dass die Reicheren bevorzugt werden und die Schere immer weiter aufklafft. Wie wollen Sie damit umgehen?
Wenn wir die Einkommen nivellieren wollten, müssten wir auch überlegen, wie die Menschen in Mali im Vergleich zu unseren Verhältnissen leben. Und was es bedeuten würde, wenn wir die auch als unsere Nächsten begreifen und sagen würden, sie sollen so viel haben wie wir.
Lassen Sie uns doch bei uns anfangen.
Ich lebe nicht schlecht davon, dass die Familie Quandt, Eigentümer von BMW, so reich ist, wie sie ist. Und ich glaube, die Mitarbeiter von BMW leben auch nicht schlecht, und ich glaube, dass die Arbeitsbedingungen bei BMW auch nicht schlecht sind. Die würden Sie nicht besser machen, wenn dieses Unternehmen in Volkseigentum umgewandelt würde. Und wenn ich das nicht möchte, dann habe ich eben derart reiche Menschen. Die Frage ist: Schadet es, dass es Menschen gibt, die reich sind?
Müssen die Quandts 100 Milliarden haben? Auch wenn es den Angestellten dort relativ gut geht – warum haben sie nicht das Doppelte an Gehalt und die Quandts kommen mit 50 Milliarden aus? Würde das nicht reichen?
Wer soll bestimmen, dass 50 Milliarden reichen? Was passiert dann mit der Firma BMW, wenn ich sage, ich nehme 50 Prozent des Kapitals weg?
Es ist der Markt, der alles regelt?
BMW hat den Wert, weil die Menschen BMW kaufen wollen. Die Familie Albrecht ist so reich geworden, weil die Menschen zu Aldi gehen, und zwar nicht nur diejenigen, die sich nichts anderes leisten können. Wenn ich Einkommensunterschiede kritisiere, muss ich mich selber fragen, was ich dazu beitrage. Das ist die Verantwortung, die ich erwarte. Ich kann nicht zu Aldi einkaufen gehen und mich nachher beklagen, dass die Inhaber Geld verdienen. Dann muss ich jemand anderem, der auch ein Produkt auf den Markt bringt, eine Chance geben und dann verteilt sich das wieder. Da hilft der neidvolle Blick, glaube ich, nicht weiter.
Wissen Sie, wie hoch der Spitzensteuersatz zu Anfang der Bundesrepublik war?
Höher als heute.
95 Prozent. Der wurde immer weiter gesenkt, bis wir heute weit unter 50 Prozent sind. Das hat den Reichen eigentlich immer mehr genutzt.
Ja. Aber schauen Sie, wir haben heute so hohe Steuereinnahmen wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Die entscheidende Frage ist: Wie bekommt der Staat das Geld für seine Aufgaben und ist es zwingend so, dass hohe Steuersätze zu besseren Staatseinnahmen führen? Das ist definitiv nicht der Fall.
Sie wollen möglichst wenig Staat …
… nein, ich möchte möglichst viel persönliche Verantwortung. Wenn der Reiche soziale Projekte unterstützt, aus eigener Verantwortung und Willensentscheidung, dann ist das für mich eine lebenswertere Gesellschaft, als wenn Menschen gezwungen werden, das zu tun. Die Motivation ist dann eine andere.
Der Freiwillige sucht sich aus, wofür er spendet, und alle anderen müssen was in den Staatshaushalt tun, ob sie nun für die Bundeswehr sind oder nicht?
Die Reichen müssen ja auch Steuern zahlen, das ist ja nicht so. Erinnern Sie sich, wann es die letzten großen Steuersenkungen gab? Mit Rot-Grün, unter Schröder, in einer Zeit, in der wir eine enorme Arbeitslosigkeit hatten. Moderate Steuern, die den Unternehmen die Möglichkeit lassen, zu investieren, sind am Ende für alle die beste Lösung.
Lassen Sie uns noch ein paar Sätze über die FDP verlieren, die eine Legislaturperiode lang nicht im Bundestag war. Meinen Sie, irgendjemand außer den nicht wiedergewählten Abgeordneten und ihrem Personal hat die Partei vermisst?
Definitiv. Wenn man den Umfragen trauen kann, gibt es wieder eine Menge Menschen, die sagen: Die liberale Stimme im Bundestag braucht man.
Was ist denn heute die liberale Stimme? Wofür steht sie?
Immer noch für Leistungsbereitschaft, aber auch für Selbstverantwortung, für eine offene Gesellschaft, die die Gerechtigkeitsfrage an der Bildungsfrage festmacht: Was brauchen Menschen zu Beginn und auch während ihres Lebens an Unterstützung, damit sie ihre persönlichen Ziele erreichen können.
Warum sind Sie Militärseelsorger geworden und kümmern sich insbesondere um Soldaten?
Als Abgeordneter war ich auch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. In dieser Funktion war ich mal in Afghanistan. Die Soldaten, die ich getroffen habe, waren dort, weil auch ich den Afghanistaneinsatz mit meiner Stimme verlängert habe. Es hat mich sehr berührt, zu sehen, unter welchen Bedingungen sie dort leben und welche Aufgaben sie zu erfüllen haben. So kam mein Interesse, als Militärseelsorger zu arbeiten.
6 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 01.09.2017Die Internetseite unserer Uni, Fachbereich Kommunikationswissenschaften Dr. Brettschneider
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