Der Baubeginn für das Interim wurde kürzlich von 2026 auf 2028 verschoben. Es soll nun Ende 2032 fertig werden. Sie haben als Opernintendant zur Spielzeit 2018/19 angefangen. Wie war damals der Zeitrahmen?
Als ich 2016 zum zukünftigen Intendanten ernannt wurde, hat man mir gleich statt eines Fünf- einen Sechsjahresvertrag vorgelegt, damit ich den Wiedereinzug in den Littmann-Bau auch mitmoderieren kann. Man war sich sicher, dass man 2019 aus- und 2023 wieder einzieht. Es war damals beschlossene Sache, dass die Interimszeit im Postpaketzentrum stattfindet. Aber noch bevor ich meinen Job 2018/19 offiziell begonnen habe, wurde dieser Beschluss wieder abgesägt. Ich glaube, eine der Schwächen dieses Projekts ist, dass Leute manchmal ihre Meinung geändert haben. Das macht es weder billiger noch besser.
Wie hat sich Ihre Arbeit durch die mehrfache Verschiebung der Sanierung und des Interimsbaubeginns verändert?
Weil wir ja lange im Voraus planen müssen, wurden Projekte, die auf diese erste Interimsplanung zugeschnitten und Zwischenlösungen waren, dann auch gezeigt. Wir haben mit Bartóks "Blaubart" im Postpaketzentrum angefangen und auch das Riesenprojekt der Messiaen-Oper "Saint François d’Assise" war noch der alten Planung geschuldet. Auch "Sancta" hätte gut in ein Interim gepasst. Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich für ein Interim programmiere oder für einen Stammsitz. Seit 20 Jahren sagt man hier im Haus: In fünf Jahren müsst ihr ausziehen. Das hat natürlich Einfluss auf die Arbeit. Aber auch der schlechte Zustand des Opernhauses hat oft zur Folge, dass wir Projekte anders umsetzen müssen als geplant.
Können Sie Beispiele nennen, wie sich das im Arbeitsalltag der Oper bemerkbar macht?
Die Einschläge kommen näher. Vor drei Wochen sind auf der Hinterbühne einige hundert Liter Öl aus einem winzigen Leck der Hydraulik ausgelaufen. Zum Glück war an diesem Tag keine Vorstellung. Wir hätten absagen müssen. Die ganze Softwaresteuerung kommt ständig an ihre Grenzen. Während Verdis "Rigoletto" ist kürzlich irgendein Kabel der Durchrufanlage durchgeschmort. So konnte der Inspizient während der Aufführung die Leute nicht mehr pünktlich auf die Bühne rufen. Jemand musste in den dritten Stock hochrennen, um den Chor zu holen. Für die Mitarbeitenden sind solche Zustände sehr stressig und verunsichernd.
Symbol für die Diskussion über die Sanierung der Oper ist ja die sogenannte Kreuzbühne. Viele verstehen nicht, was eine Kreuzbühne bringt, warum man dafür 27 bis 35 Millionen Euro ausgeben soll.
Die Kreuzbühne ist beschlossen und in der Ausschreibung drin. Sie soll dafür sorgen, dass Oper und Ballett mit viel weniger Aufwand weiterhin 230 öffentliche Abendvorstellungen geben können. Der finanzielle Aufwand ist im Vergleich zu den Gesamtkosten der Sanierung mehr oder weniger zu vernachlässigen, da die Bühnentechnik ja ohnehin ausgetauscht werden muss. Dagegen schafft sie auf der Hinterbühne neuen Platz, um Bühnenbilder zu lagern, so dass man morgens ein Stück probieren und abends was anderes spielen kann. Die Bühnenbilder werden als Ganzes jeweils in einen der neuen Räume hineingeschoben und können am Stück auch wieder auf die Bühne gebracht werden. Das spart das Auseinander- und wieder Zusammenbauen, die Transporte zu den Außenzwischenlagern und damit viel Geld und CO2.
Das Eröffnungsjahr der sanierten Oper ist jetzt auf 2042 terminiert. Klingt futuristisch. Wie kann man heute sinnvoll planen, was eine Stadt dann für ein Haus braucht?
Ja, das ist ein Problem. Andererseits halte ich es für sicher, dass man dann in einer deutschen Residenzstadt wie Stuttgart immer noch eine gewisse Opernkultur pflegt. Einerseits ist die Welt wahnsinnig schnelllebig, andererseits muss es Orte geben, die ein bisschen entschleunigen. In Zeiten von Digitalisierung und KI stellen wir eine analoge Insel dar, die man als solche in ein paar Jahrzehnten vielleicht mehr schätzen wird als heute.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!