Zu dritt stehen sie auf der Bühne, erzählen mal heiter, mal sehr emotional, manchmal verstörend. Sie sind Hebammen und sprechen über ihren Beruf. Sie berichten von der Geburtshilfe als einem alltäglichen Geschäft, von sehr unterschiedlichen Arten, auf die Welt zu kommen, von Traditionen, Veränderungen, Widerständen, Sichtweisen auf die Geburt – und sie erzählen von Männern, die manchmal überfordert sind.
Sagt ein Mann: "Nein. da will ich nicht hingucken, ich will mir das so in Erinnerung behalten, wie‘s war." Sagt die Hebamme: "Geht's noch?" – und erklärt: "Ich will denen mal so’n bisschen den Zahn ziehen, dass es in dem Moment keine Scheide oder Schamlippen sind, sondern der Geburtskanal und dass sie das einfach versuchen sollen zu trennen. Bei vielen hat‘s geklappt, die fanden das auch ganz witzig. Aber so der Großteil, der will von unten gar nix mitkriegen."
"Der Ursprung der Welt" heißt das Stück, das im November in Melchingen Premiere hatte. Jedes Wort, das auf der Bühne gesprochen wird, ist ein O-Ton. Das Theater Lindenhof interviewte zahlreiche Hebammen, montierte seinen Text schließlich aus drei Quellen. Drei Frauenfiguren treten auf, die unterschiedlichen Generationen entstammen, in verschiedenen Kontexten tätig sind, über jeweils andere Erfahrungen verfügen. Hannah Im Hof, Linda Schlepps, Rino Hosennen, zwei Schauspielerinnen und ein Schauspieler, spielen die Hebammen. Entstanden ist ein vielschichtiges und mitunter provokantes Portrait eines Berufes, das Fragen aufwirft.
Der Beruf wird aufgewertet
Hebammen als nichtärztliche Personen, die Frauen durch die Schwangerschaft begleiten, waren schon im Altertum bekannt. Im frühen 19. Jahrhundert entstanden erste Entbindungsanstalten und die Arbeit der Hebammen wurde bereits der Aufsicht akademischer, also männlicher Lehrer unterstellt. Diese Situation verändert sich erneut, aktuell auch in Deutschland: Die letzten Ausbildungsgänge für Hebammen enden, künftig wird ein Studium Voraussetzung für die Ausübung des Berufes sein – europaweit. Der Zugang wird auf diese Weise zwar erschwert, das Abitur Voraussetzung, aber die Position der Hebammen gestärkt.
Christa Spitzner ist freie Hebamme und gründete nach 16 Jahren Arbeit in der Klinik vor zehn Jahren das Geburtshaus in Tübingen Hagelloch. Das allererste Geburtshaus, als eine von Hebammen selbstständig betriebene Einrichtung zur Betreuung von Geburten, entstand 1987 in Berlin-Charlottenburg. Geburtshäuser verstehen sich als Schutzräume für Frauen, die ihre Schwangerschaft in eigener Erfahrung erleben möchten. "Frauen sind fähig, selbst zu gebären, und müssen nicht entbunden werden" – so ein Leitsatz des Tübinger Hauses.
Im Tübinger Geburtshaus arbeiten zehn Hebammen in der Geburtshilfe, 13 weitere besuchen Frauen im Wochenbett und bereiten sie auf ihre Geburt vor. Etwa 240 Kinder werden jährlich von den Hebammen zur Welt gebracht, davon etwa 180 im Geburtshaus und rund 60 als betreute Hausgeburten. In der Tübinger Frauenklinik, die ein großes Einzugsgebiet abdeckt, werden jährlich etwa 3.500 Kinder geboren. Die Weiterleitungsrate des Geburtshauses, also die Anzahl jener Frauen, die zur Geburt an eine Klinik überwiesen werden müssen, liegt bei 20 Prozent. Im Geburtshaus entscheiden sich bis zu 70 Prozent der Frauen für eine Wassergeburt, in einer Klinik sind es etwa fünf Prozent. Im Geburtshaus wird eine Frau individuell während ihrer ganzen Schwangerschaft begleitet. Große Kliniken verfügen über Monitore, Überwachungssysteme, die Betreuung der Frauen ist optimiert.
Keine Räucherstäbchenhebammen
Geburtshäuser stießen bei ihrer Entstehung auf mitunter starken Widerstand. Vieles hat sich seither gewandelt. "Früher wurden die Frauen regelrecht abgestraft, wenn sie eine Hausgeburt wollten", sagt Christa Spitzner. "Längst schon kommen die jungen Kolleginnen während ihrer Ausbildung zu uns ins Haus, lernen, wie wir arbeiten, und sehen, dass wir nicht irgendwelche Räucherstäbchenhebammen sind, sondern sehr fundiert an unsere Aufgaben herangehen und über ein gutes Qualitätsmanagement verfügen."
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!