Fünf seltsame Gestalten werben für das Projekt: Zottelige Haare, eine ledrige Haut, ein skeptischer, offenbar noch nicht aufgeklärter Blick. Von allerhand düsterem Aberglauben umwölkt knabbert die Hauptfigur im groben Gewand an den Fingernägeln. Mann oder Frau? Es ist eine Frau, denn der dazu gehörige Mann trägt einen langen Bart. Mit wutverzerrtem Gesicht hat er den Mund wie zum Schlachtruf weit aufgerissen.
Die Große Landesausstellung "THE hidden LÄND" im Stuttgarter Kunstgebäude nimmt erstmals die lange Zeit vom Jahr Null bis 1000 nach Christus in den Blick. "Hidden", so Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Grußwort des Begleitbands, weil "von den 1.000 Jahren noch Vieles im Verborgenen liegt". Die Ausstellung bringe "verborgene Schichten unserer Vergangenheit zum Vorschein", erklären die wissenschaftlichen Projektleiter:innen Gabriele Graenert und Kurt Felix Hillgruber. Das tut Archäologie eigentlich immer.
Ein geschätzter Kollege habe ihm wegen des Ausstellungstitels die Freundschaft gekündigt, bedauert Claus Wolf, Präsident des Landesamts für Denkmalpflege und des Archäologischen Landesmuseums in Konstanz: Länd mit ä-Tüpfelchen, nach der Charme-Offensive des Landes Baden-Württemberg. "Wir sind The Länd", hieß es bei der Vorstellung der Imagekampagne vor drei Jahren. "Wir im ersten Jahrtausend", lautet nun auch der Untertitel der Großen Landesausstellung. Nur: Wer ist "wir"?
Europaweit vernetzte Schwaben?
Und warum steht dann gleich am Anfang ein Bronzekessel aus der Ukraine, wenn es doch um "unsere Vergangenheit" geht? Er diente als Urne, wie ein digital flackernder Scheiterhaufen andeuten soll, der zur "Gestaltungsphilosophie hinter THE hidden LÄND" gehört. Der Kessel und weitere Grabbeigaben kamen 2017 in Kariv, im Westen der Ukraine, zum Vorschein, erklärt die Ausstellungswebsite, sie seien Prestigeobjekte einer "europaweit vernetzten und auch überregional agierenden Elite".
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Claudia Heruday
am 23.10.2024