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Wizo-Tourauftakt in Saarbrücken

Ganz klar gegen Nazis

Wizo-Tourauftakt in Saarbrücken: Ganz klar gegen Nazis
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Wizo sind eine antifaschistische Punkrockband aus Sindelfingen. Seit fast 40 Jahren positionieren sie sich kompromisslos gegen rechts. Unser Autor hat Axel Kurth, den Sänger und Gitarristen der "Legende aus dem Ländle", zum Tourauftakt getroffen.

Die SMS kommt am 12. Januar, Punkt 14 Uhr. Ich soll zum Eingang der Garage kommen, kein Autostellplatz, sondern eine Eventhalle in Saarbrücken. Ich stehe am Eingang, die großen Türen gehen auf und plötzlich steht Axel Kurth da. Mitte 50, pinker Iro, schwarzlackierte Fingernägel und Sänger, Gitarrist, Texter der Punkrockband Wizo  aus Sindelfingen.

In der Garage startet die Wizo-Tournee "Tour wird wieder gut". 39 Konzerte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg, Anfang März ist das fulminante Finale in Stuttgart. Das Auftaktkonzert in der Garage ist ausverkauft, mehr als 1.500 Fans kommen. Erst heizt die Berliner Punkrockband ZSK ein, die in der Corona-Pandemie mit dem Song "Ich habe Besseres zu tun" über den Virologen Christian Drosten bundesweit bekannt wurde, dann betritt Axel mit Ralf Dietel (Bass) und Alex Stinson (Schlagzeug) die Bühne. Es folgen 100 Minuten Ernst, Ironie, Zorn und – vor allem – Spaß mit zwei Dutzend Songs über das goldene Stück Scheiße, das Quadrat im Kreis und die letzte Sau. Neben alten Liedern spielen Wizo eine Reihe neuer Songs vom aktuellen Album "Nichts wird wieder gut".

Als ich Axel am Nachmittag treffe, ist er erstaunlich entspannt. Der Musiker nimmt sich Zeit, stellt mir die Crew vor, zeigt mir die Bühne. Sein pinker Iro ist bestens mit der Bühnenfarbgestaltung abgestimmt. An der Bühnenwand hängt ein pinkes Transparent mit einem hinter einer Sturmhaube versteckten Katzenkopf. Während des Konzerts erklärt Axel dem Publikum mit ironischer Stimme, er persönlich sei ein "Katzen-Nicht-Möger", aber Fakt sei, mit Katzenfotos könne im digitalen Zeitalter die größte Aufmerksamkeit erzielt werden. Am Merchandise-Stand werden Shirts und Sticker mit der Aufschrift "Katzis statt Nazis" verkauft.

"Für immer Punk will ich sein"

Es gibt Wizo, mit einer Pause von 2005 bis 2010, seit Mitte der 1980er-Jahre. Erste Konzerte fanden 1987 statt, erste Veröffentlichungen folgten 1988. Der Lohn der ersten Tour: ein Kasten Bier und ein Schlafplatz, erzählt Axel. Kurze Zeit später spielten Wizo auf den ersten Festivals. Als einmal ein Moderator fragte, wie er die Band ankündigen solle, antwortete Axel selbstironisch, Wizo sei "die Legende aus dem Ländle". Heute, neun Studioalben und elf Singles später, sagt Axel mit einem Lachen: "Ich hab' halt ein Herz für Alliterationen."

Wizo haben eine bewegte Geschichte: Mit dem Album "UUAARRGH!", das in diesem Jahr sein 30. Jubiläum feiert, schaffte die Band den Durchbruch. Es wurde innerhalb kürzester Zeit mehr als 100.000-mal verkauft. "Fat Wreck Chords", eines der einflussreichsten Punkrock-Labels aus den USA, vertrieb das Album für den US-amerikanischen Markt. Wizo hatte Auftritte in den USA, Kanada, europaweit. Gleichzeitig hatten sie mit Klagen zu kämpfen. So zeigte der Generalvikar von Regensburg die Band gegen Ende der 1990er-Jahre wegen Gotteslästerung an. Der Grund war ein Fanshirt mit einem gekreuzigten Comicschwein. Wizo wurden verurteilt und stellten den Verkauf der Fanshirts unter der Bedingung ein, die antisemitische "Judensau" am Regensburger Dom mit einer Hinweistafel zu versehen. Das geschah zwar, aber erst Jahre später und in anderem Zusammenhang.

Wizo sind eine Institution. Nicht nur im Ländle, sondern bundesweit. Trotzdem ist die Band bis heute ein Do-It-Yourself-Projekt. Die Crew lässt nicht gestalten und organisieren, sondern sie gestaltet und organisiert selbst. Ihm seien faire Löhne, faire Produktion und insgesamt ein fairer Umgang miteinander wichtig, betont Axel im Gespräch. In Songs bringt er seine konsumkritische Haltung zum Ausdruck: "Globalisierung, nix Funktionierung / Paar geht es super und vielen ganz mies". Mit unserer Gesellschaft geht er hart ins Gericht: "Wenn ich an meinem Fenster steh' / Und seh', was draußen vor sich geht / Ja, dann bin ich froh, dass ich nicht bin / Wie all die anderen sind". Seine Losung im Refrain: "Für immer Punk / Will ich sein, ein Leben lang / Lieber Außenseiter sein / Als ein dummes Spießerschwein".

"Wie ein Quadrat in einem Kreis"

Axel erzählt, sein moralischer Kompass habe sich Anfang 20 ausgeprägt. Damals habe er im Mobilen Sozialen Hilfsdienst gearbeitet und alte Menschen in ihrem privaten Umfeld betreut. Er habe gesehen, wie die Gesellschaft mit Älteren umgeht. "Wir alle müssen sterben, aber niemand will's wahrhaben", sagt er. Und so handeln auch viele seiner Songtexte vom Tod. Der Song "Schönheit des Verfalls" etwa ist eine Liebeserklärung an das Altern: "Plötzlich geht's Knall auf Fall / Doch kein Grund für Krawall / Denn wir lieben die Schönheit des Verfalls". Manch frühen Song, der das Sterben thematisiert, sieht Axel inzwischen kritisch. Als er beispielsweise darüber sang, wie eine Frau überfahren und im Wald verscharrt oder erschossen und in einer Kühltruhe versteckt wird. "Wir wollten Dinge singen, die sich andere nicht getraut haben zu singen", betont Axel, sie hätten provozieren wollen. Erst Jahre später habe er realisiert, dass man Misogynie und Femizide besungen habe.

Viele Songs, die Wizo im Laufe ihrer Bandgeschichte veröffentlichten, sind nachdenklich und pessimistisch: "Wie ein Quadrat in einem Kreis / Eck' ich immer wieder an / Obwohl ich doch schon lange weiß / Dass ich niemals ändern kann / Was sich niemals ändern wird / Weil das Schlechte immer bleibt / Und doch die Sonne wieder scheint". Dass das neue Album den Titel "Nichts wird wieder gut" trägt, dürfte kein Zufall sein. Auf die Frage, ob er ein Optimist oder Pessimist sei, antwortet der Musiker, er sei gewissermaßen manisch-depressiv, häufig breche und drehe er das Depressive in der letzten Strophe. "Ich will doch lachend aus der Nummer rauskommen, ich will doch den Unsinn nicht siegen lassen."

"Du bist ein Nix"

Trotz Kapitalismus, Klimakollaps und allerlei Kriegen bleibt Axel ein Träumer. Ein anarchistischer Träumer. "Drum nennt's ruhig Wahnsinn, nennt es Utopie / Ich träume weiter von Anarchie". Besonders deutlich wird das Antiautoritäre im Song "Chezus". Der Song stellt alles in Frage: die Autoritäten der Führer und Propheten, der Götter und Helden, der Idole und – nicht zuletzt – der "Punkbandsänger". Axel selbst wollte nie ein Vorbild sein, sagt er. Doch mit seiner antifaschistischen Haltung, die er seit Jahren mit seiner Musik in die Öffentlichkeit trägt, ist er nichts weniger als das. Eine derart klare Haltung gegen rechts ist keine Selbstverständlichkeit.

Anfang der 1990er-Jahre, als Nationalismus und Rassismus im Kontext der "Asyldebatte" und der Wiedervereinigung boomten, zogen die Republikaner (REP) mit 15 Abgeordneten in den Stuttgarter Landtag ein. Die Partei, die mit der Parole "Das Boot ist voll!" gegen "Asylanten" hetzte, hatte mehr als zehn Prozent der Wählerstimmen geholt. Damals eskalierte die rassistische Gewalt gegen Asylsuchende in Deutschland. So attackierte ein Mob im Mai 1992 eine Asylunterkunft in Mannheim-Schönau. Hunderte belagerten die Unterkunft, einige warfen Böller, Flaschen und Steine. In Rostock-Lichtenhagen steckte im August 1992 ein Mob eine Unterkunft, in der ehemalige DDR-Vertragsarbeiter:innen aus Vietnam wohnten, mit Molotowcocktails in Brand. "Wir fanden die Ausschreitungen schrecklich", erinnert sich Axel. "Aber wir haben mit dem Finger auf den Osten gezeigt." Erst später, als Wizo einen Auftritt in Rostock hatten und die Musiker am Lichtenhagener Ortsschild vorbeikamen, sei der Band das Ausmaß der Gewalt bewusst geworden.

Als Punk war Axel Kurth mit den "Dorfnazis" von Sindelfingen konfrontiert. Nüchtern stellt er fest: "Trafen drei Punks einen Fascho, musste der Fascho rennen. Trafen drei Faschos einen Punk, musste der Punk rennen." Jene "Dorfnazis" wurden im Song "Nix & Niemant", der im Jahr der Ausschreitungen von Mannheim und Rostock erschien, adressiert: "Kahle Köpfe, Bomberjacke, Uniform und primitiv / Gruppenzugehörigkeit, das ist Dein Motiv / Denn in der Gruppe bist Du stark / Und meinst, Du wärst was wert / Wenn nicht als Menschen, so doch als Deutscher / Doch Du denkst verkehrt / Du bist ein Nix, Du bist ein Niemant / Und wirst nie viel mehr sein / Denn unter Deiner Glatze / Da bist Du ziemlich klein / Und wäre an Dir alles wie Dein Individuum / So bliebe nix mehr übrig / Und vor Lachen fiel ich um". Als der Song erschien, prägten Skinheads die Neonazi-Szene.

"Ganz ohne jede Diskussion"

Dass immer mehr Neonazis Seitenscheitel statt Glatze und Trainings- statt Bomberjacke tragen, setzte Anfang der 2000er-Jahre ein. 2013/14 entstanden AfD und Pegida. Aus der Parole "Das Boot ist voll!" wurden Forderungen nach einer "Festung Europa" und "Remigration". 2016 – fast 25 Jahre, nachdem die Republikaner zum ersten Mal in den Stuttgarter Landtag einzogen – gelang der AfD mit 15 Prozent der Wählerstimmen und 23 Abgeordneten der Einzug. 2016 sangen Wizo: "Déjà-vu – so weit ist es schon mal gewesen / Déjà-vu – das kennen wir doch schon / Déjà-vu – wer nichts aus der Geschichte lernt / Der ist verdammt sie zu wiederholen". Heute hat die Punkrockband eine Vielzahl antifaschistischer Songs veröffentlicht. Axel erzählt, er habe mit dem Song "Ganz klar gegen Nazis" eine Hymne für den Demo-Lautsprecherwagen schreiben wollen: "Ich bin ganz klar gegen Nazis und ich beziehe Position / Ich sage, weg mit brauner Scheiße, ganz ohne jede Diskussion!"

Offen erzählt der Musiker, es habe Kritik gegeben, der Song sei zu plakativ, zu platt. Axel widerspricht, er finde Songs mit einfacher Sprache wichtig, und fragt sich: "Was können wir als Punkrockband denn Besseres gegen Faschos tun?" Mehr als fünf Millionen Spotify-Aufrufe zeigen: Der Song trifft einen Nerv. Am Ende unseres Gesprächs sagt Axel, er habe mit der Band die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen. "Es macht mich glücklich, wenn Fans auf mich zukommen und erzählen, die Musik von Wizo habe sie ermutigt, sich gegen Neonazis oder für Seenotrettung zu engagieren." Wenn Fans erzählen, ein Konzert von Wizo sei ein Abend in einem Safe Space. Ein Abend zum Energietanken. Diese Energie war in Saarbrücken zu spüren.

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