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Schaeff-Scheefen-Literaturpreis

Brauner Schatten auf dem Namensgeber

Schaeff-Scheefen-Literaturpreis: Brauner Schatten auf dem Namensgeber
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Alle zwei Jahre vergibt der Autorenverband Franken einen Literaturpreis, der nach dem in Kirchberg/Jagst gestorbenen Schriftsteller Georg Harro Schaeff-Scheefen benannt ist. Der letzte Preisträger David Jacobs gab die Auszeichnung zurück – was mit dem Wirken des Namensgebers im Nationalsozialismus zu tun hat.

In Kirchberg an der Jagst hat Georg Harro Schaeff-Scheefen, so scheint es, einen tadellosen Namen. In der Kleinstadt im Landkreis Schwäbisch Hall wurde der Schriftsteller, der hier von 1936 bis zu seinem Tod 1984 lebte, gemeinsam mit seiner Frau Caroline 1983 zu Ehrenbürgern ernannt, er erhielt den Ehrenring der Stadt, im dortigen Sandelschen Museum gibt es nicht nur ein eigenes Schaeff-Scheefen-Zimmer über sein Leben und Schaffen, hier ist auch sein umfangreiches Werk archiviert. "Herr Schaeff-Scheefen hat sich durch seine kulturelle und publizistische Arbeit um die Stadt Kirchberg/Jagst und durch seine Stiftungen für das städtische Museum in besonderen Maßen verdient gemacht", schreiben der Gemeinderat und die Stadtverwaltung Kirchberg/Jagst in einer Traueranzeige für Schaeff-Scheefen am 23. Mai 1984 in der Lokalzeitung Hohenloher Tagblatt. "Bis ins hohe Alter waren sein Rat und sein Wissen in kulturellen Fragen für uns unentbehrlich".

Bereits 1973 bekam Schaeff-Scheefen das Bundesverdienstkreuz – den Antrag hatte der Verband fränkischer Schriftsteller gestellt, dessen Gründungsmitglied und Ehrenmitglied der Geehrte war. Der Verband, der mittlerweile Autorenverband Franken (AVF) heißt, bemühte sich auch weiter, den Namen seines Mitgründers nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: Seit 2010 vergibt der AVF in zweijährigem Turnus den Schaeff-Scheefen-Preis an Autorinnen und Autoren fränkischer Herkunft oder zumindest fränkischer Prägung. 2021 fand die Preisverleihung coronabedingt erstmals im Wasserschloss Mitwitz in Oberfranken und nicht in Kirchberg/Jagst statt. Doch nicht dies sollte für Aufregung sorgen.

Von den 97 Autoren, die Arbeiten eingereicht hatten, wurde David Jacobs aus Bad Honnef-Hövel in Nordrhein-Westfalen für seine Kurzgeschichte "Kornweihe" zum Sieger gekürt. Am 8. Oktober 2021 bekam Jacobs den Preis überreicht – aber bereits am 15. Dezember gab er ihn wieder offiziell zurück und zahlte das Preisgeld in Höhe von 300 Euro zurück. Seine Begründung: Georg Harro Schaeff-Scheefen habe "sich nicht deutlich genug vom Nationalsozialismus distanziert".

Offenbar war dies Jacobs bei der Preisverleihung noch nicht klar gewesen. Anlässlich der Rückgabe Mitte Dezember 2021 sagte er, er habe sich inzwischen acht Wochen intensiv mit dem Namensstifter beschäftigt. "In der kritischen Auseinandersetzung mit seiner Biographie und seinen Texten kann man viel über Verführbarkeit, Ehrgeiz, Opportunismus, aber sicher auch über Heimatliebe und Kunstwillen lernen." Zu den Themen Reue und Aufrichtigkeit sei er allerdings nicht fündig geworden, so Jacobs. Aufgrund seiner Recherchen neige er "inzwischen zu der Einschätzung, dass Schaeff-Scheefens Verhalten im Nationalsozialismus von einem gewissen Opportunismus geprägt gewesen zu sein scheint, der auf weniger Gegenliebe stieß, als er es sich erhofft haben mag." Der Autorenverband Franken schrieb auf seiner Internetseite als erste Reaktion auf die Preisrückgabe, er könne "diese Auffassung bislang nicht mittragen, wird sich aber weiterhin um eine Aufklärung derartiger Vorwürfe bemühen".

Für Aufklärung kann ein genauer Blick auf die Biographie des 1903 als Johann-Georg Schaeff in Ansbach geborenen Schaeff-Scheefen sorgen – sein Wirken umfasste nicht nur landeskundliche Schriften und Hörfunk-Beiträge, wegen derer er vom AVF und in Kirchberg/Jagst gerne gerühmt wird.

Nationalsozialist, Mitglied in antisemitischem Verband

Nach dem Schulabschluss fing Schaeff-Scheefen bei einem Rechtsanwalt in Ansbach als Kanzleigehilfe an. Später arbeitete er von Kitzingen aus als Buchhalter und juristischer Berater der "Deutschen Weinkesselwagen-Gesellschaft". Für den Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband (DHV) ging er als junger Mann seit etwa Mitte der 1920er-Jahre auf Vortragsreisen. Nach eigenen Angaben hat er gerne über den völkisch-antisemitischen Schriftsteller Houston Steward Chamberlain referiert, der seit 1923 ein Bewunderer Adolf Hitlers war und enge freundschaftliche Kontakte zum NSDAP-Führer pflegte. Als Teil der völkischen Bewegung vertrat der DHV antisozialistische, radikal nationalistische und antisemitische Positionen – Juden durften nicht Mitglied werden. Auch Frauen war die Mitgliedschaft verwehrt. Ein erklärtes Ziel des DHV war die Beschränkung von Frauenarbeit.

Von 1929 bis 1935 wohnte Schaeff-Scheefen in Würzburg, wo er sich als Geschichtsforscher und Schriftsteller betätigte. In einem Brief vom 12. September 1933 bekannte er sich zur nationalsozialistischen Bewegung. Er verwahrte sich empört dagegen, als "Pazifist beleidigt zu werden". Schaeff-Scheefen bot an, "Arbeiter zu sein am neuen deutschen Dom, den die Jugend baut – dann werde ich beweisen, dass ich der Sache nützen kann". In dem Brief versuchte er auch darzustellen, warum er sich "verpflichtet fühlt, im Rahmen des neuen Zeitgeschehens mitzuarbeiten". Seine Beweggründe erklärten sich aus "seelischen und schöpferischen Erkenntnissen, die mit Mitteln des Verstandes nicht fassbar sind". Sein Bekenntnis zu Adolf Hitler habe er in seinem Roman gegeben, "der in den ersten Wochen des April entstand. Klarer glaube ich, kann kein Bekenntnis sein", schreibt Schaeff-Scheefen. Und über Adolf Hitler weiter: "Dieser Mensch war besessen von seiner Sendung wie ein germanischer Seher. Er wurde zum Propheten, der an seinen Weg und an sein Werk glaubte, weil er von hoher Warte der Seele aus in die Zukunft schaute und weil sich ihm die geheimnisvollen Gesetze der Geschichte offenbarten."

Seine Einstellung machte Schaeff-Scheefen auch publizistisch deutlich, etwa in dem Text "Mutter Deutschland", der am 27. März 1936 im Jeverschen Wochenblatt erschien. David Jacobs bezeichnet den Zeitungsartikel als "reinen Nazi-Kitsch".

NSDAP-Mitglied von 1937 bis 1945

1936 zog Schaeff-Scheefen von Würzburg in seine neue Wahlheimat Kirchberg an der Jagst. Er selbst bezeichnete sich beruflich als "Privatgelehrter und Schriftsteller". Am 1. Mai 1937 trat Schaeff-Scheefen der NSDAP bei und blieb Mitglied bis 1945 (Mitgliedsnummer 5206931). Der Reichsschrifttumskammer (Reichsverband Deutscher Schriftsteller) gehörte er von März 1934 bis 1945 an.

Um 1938 und 1939 stellte er das Manuskript zu dem primitiv-antisemitischen Roman "Rebell auf der Kanzel" fertig. Das Manuskript über "Doktor Johannes Deuschlin aus Rothenburg ob der Tauber – ein Kämpfer für Recht und Reich" befindet sich im Nachlass Schaeff-Scheefens in Kirchberg. Der Roman sollte 1939 im Verlag J. P. Peter, Gebrüder Holstein Rothenburg ob der Tauber erscheinen. Zur Veröffentlichung der antijüdischen Hetzschrift kam es aber nicht – warum, ist nicht bekannt. Aber Schaeff-Scheefen hat den Romanentwurf aufbewahrt. Im Manuskript finden sich Textstellen wie diese: "Aber da lag noch ein Geruch im Zimmer, wie ihn gefangene Füchse an sich haben und anderes Raubzeug, scharf und in der Nase beißend. Die Juden stanken ebenso, weil sie wie reißende Tiere waren, tückisch und gefährlich." Auch über Hostienschändungen durch Juden, Kinder-Diebstahl, Schächten von Kindern, um Christenblut für das Passahfest zu bekommen, schrieb Schaeff-Scheefen in diesem Roman-Manuskript. "Ist das noch nicht genug der Schuld, um die Juden zu verbrennen, zu rädern und totzuschlagen?", lässt Schaeff-Scheefen seinen Romanhelden, den Prediger Johannes Deuschlin, fragen.

Wenige Monate nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Schaeff-Scheefen 1940 zur Wehrmacht eingezogen. Dort erreichte er den Rang eines Feldwebels. Eingesetzt war er in Frankreich, danach kurzzeitig an der Ostfront. Nach einem Lazarettaufenthalt wurde er 1942 zur Genesenen-Kompanie des Infanterie-Ersatzbataillons 302 nach Budweis versetzt. Dort arbeitete er die längste Zeit des Krieges im Referat für "geistige Betreuung" des Regiments. 1942 gewann Schaeff-Scheefen beim Wettbewerb des Oberkommandos der Wehrmacht im Rahmen der "geistigen Truppenbetreuung" den zweiten Preis für seine Novelle "Begegnung mit einem toten Helden". Der Wehrmachtsbevollmächtigte beim Reichsprotektorat in Böhmen und Mähren sprach dazu dem Dichter seinen besonderen Glückwunsch aus, wie die Budweiser Zeitung vom 29. Mai 1942 berichtet. Die Novelle ist im Nachlass Schaeff-Scheefens, in Archiven und Bibliotheken bisher nicht auffindbar gewesen.

"Weihnachtsamnestie" bei der Entnazifizierung

Nach kurzer russischer Kriegsgefangenschaft in der Tschechoslowakei kehrte Schaeff-Scheefen im Sommer 1945 nach Kirchberg/Jagst zurück. Bei der Entnazifizierung durch die Spruchkammer Crailsheim profitierte er von der sogenannten "Weihnachtsamnestie" (siehe Kasten): Am 9. Juni 1947 wurde sein Verfahren kurzerhand eingestellt. Es gab keine Ermittlungen. Nach dem Krieg arbeitete Schaeff-Scheefen in Kirchberg/Jagst wieder als Schriftsteller, Journalist und Vortragsredner.

Spruchkammerverfahren

Mit dem Ziel, die Entnazifizierung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise in deutsche Hände zu geben, wurden 1946 in den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands Spruchkammern eingerichtet. Vor diesen mussten sich all jene rechtfertigen, die Mitglieder der NSDAP oder von NS-Organisationen waren – was allein in der US-Zone rund 3,6 Millionen Deutsche betraf. Tatsächlich wurden wegen zahlreicher Amnestien aber weit weniger Fälle verhandelt. So wurde etwa die "Weihnachtsamnestie" (WA) am Weihnachtsabend 1946 durch den amerikanischen Militärgouverneur General Joseph T. McNarney auf dem Frankfurter Römer verkündet und trat zum 5. Februar 1947 in Kraft. Nominelle Mitglieder der NSDAP, die durch das NS-System wirtschaftlich nicht profitiert hatten, sollten dadurch vereinfacht entnazifiziert werden. Grundsätzlich konnten die Amnestie-Verordnungen nur auf Betroffene angewendet werden, gegen die kein hinreichender Verdacht bestand, dass sie als Hauptschuldige oder Belastete einzustufen waren. Alle Personen, deren steuerpflichtiges Vermögen zum Jahreswechsel 1943/44 nicht mehr als 3.600 Reichsmark und am Stichtag 1. Januar 1945 weniger als 20.000 Reichsmark betragen hatte, sollten einen Amnestiebescheid erhalten. Gleiches galt für alle zu mindestens 50 Prozent Kriegsversehrten.  (rag)

Viel Zeit und Energie steckte Schaeff-Scheefen in Vortragsreisen über kulturelle, historische und touristische Themen aller Art. Seine Vorträge hielt er in Süddeutschland vor allem in Volksbildungswerken, den Vorgängern der heutigen Volkshochschulen. Seit 1958 war er Leiter des Volksbildungswerkes in Kirchberg/Jagst. Außerdem übernahm er die Schriftleitung des Holstein-Verlages in Rothenburg ob der Tauber und schrieb für das Hohenloher Tagblatt. Aus dem von Schaeff-Scheefen initiierten Fränkischen Autorenkreis entstand 1964 in Würzburg der Verband Fränkischer Schriftsteller mit Schaeff-Scheefen als Gründungsvorsitzenden. Trotz all dieser Tätigkeiten war es seine Frau Caroline Schaeff, die als Lehrerin den Hauptanteil für den Lebensunterhalt des Ehepaares verdiente. So viel Georg Harro Schaeff-Scheefen nach dem Krieg auch publizierte, über die NS-Zeit hat er nicht geschrieben. Es scheint, dass er das Thema gemieden hat – und seine Vergangenheit in diesen Jahren niemanden interessiert hat.

Für David Jacobs bleibt nach der Beschäftigung mit dieser Biographie "der Eindruck zurück, dass Schaeff-Scheefen sich zwar mit Sicherheit um die fränkische Literaturszene verdient gemacht hat, sein Wirken jedoch nicht darauf reduziert werden kann und schon gar nicht kritiklos verklärt werden sollte". Und er betont: "Nach meiner Ansicht ist die Umbenennung des Preises überfällig." Der Autorenverband Franken will sich mit dem Thema Schaeff-Scheefen bei seiner nächsten Vorstandssitzung Anfang Februar 2022 beschäftigen, teilt dessen Vorsitzender Gerhard Goldmann auf Kontext-Nachfrage mit. "Wir waren von der Rückgabe des Preises zunächst überrascht und geschockt", sagt Goldmann. Jetzt müsse der Verein weiter daran arbeiten und prüfen, wie es weitergehe. "Wir werden Schaeff-Scheefen im AVF wahrscheinlich an einen anderen Platz rücken", lautet die derzeitige Einschätzung des Vorsitzenden. "Wir müssen ihn aber im Zeitzusammmenhang sehen. Er sticht nicht aus der Masse heraus, die damals gelebt hat." Schaeff-Scheefen habe sich, so Goldmann, "im Nationalsozialismus nicht besonders exponiert". Für den AVF sei der Schriftsteller bedeutend, weil er der Initiator des Autorenvereins gewesen ist.


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