Genau das war es, was Hindemith beabsichtigt hatte: den Wagner-Kult und den Musikbetrieb zu verspotten. Einmal schrieb er durchaus unpassend eine Choralfuge, die einen derben Tanz unterlegte – "Sie bezweckt weiter nichts als dies: sich stilvoll in den Rahmen dieses Bildes zu fügen und allen 'Sachverständigen' Gelegenheit zu geben, über die ungeheure Geschmacklosigkeit ihres Schöpfers zu bellen. Halleluja!"
Der Stuttgarter Maler und Bildhauer Oskar Schlemmer, der Kostüme und Bühnenbild entwarf und die Tänze einstudierte, tat sich schwer: "Blöder Text – komisch, erotisch, indisch", merkt er an. "Ich sollte über das Ganze in freudiger Stimmung sein, bin es aber keineswegs." Weil er zu Jahresbeginn ans Bauhaus berufen worden war und nicht fertig wurde, musste die Uraufführung verschoben werden. Nach der Premiere notiert er jedoch: "Die Aufführung war ein Erfolg: Ich hörte, hinter der Bühne, meinen Namen rufen, immer stärker, und wurde auf die Bühne gezerrt, vor 1.400 Menschen."
Nach den Konzerten war für Hindemith noch nicht Feierabend. Zu einem anschließenden Ballabend im Stuttgarter Kunstgebäude schreibt der Schriftsteller Eduard Reinacher: "In einem der Säle machten wir drei die Kapelle: Paul am Klavier, Oskar mit den Schüreisen, ich mit zwei Flaschen. Paul gab die Hauptrolle, er spielte den rasenden Primitiven aus Jamaica, der aus dem kräftig gebauten Instrument die Musik mit Fingern, Fäusten und Füßen herausholte, den Rhythmus durch häufiges und kräftiges Zuschlagen des Deckels markierend. (...) Dass es anstrengend gewesen war, merkten wir in der Morgenfrühe, als wir den Heimweg bewältigten."
Donaueschingen bedeutet den Durchbruch
Auch in Donaueschingen ging es nach dem offiziellen Programm noch weiter. "Mit den abendlichen Veranstaltungen der Musikfeste pflegte nie der Tag zu enden", erinnert sich die Musikwissenschaftlerin Else Thalheimer-Lewertoff. "Es gab unentwegt Nachfeiern, geplante und improvisierte, und die Kurzweil dauerte stets eine lange Weil, meistens die ganze Nacht hindurch." Gern setzte sich Hindemith ans Klavier. Er spielte "Opernmelodien, Volkslieder, Märsche, symphonisches Material, kurz: jede Art von Musik, wie sie ihm in den Sinn kam, uneingeschränkt durch Kategorien wie 'Klassisch' oder 'Populär'."
Donaueschingen bedeutete für Hindemith den Durchbruch. Er wurde zu einem der gefragtesten Komponisten der Weimarer Republik. Die Kammermusik-Tage stellten regelmäßig seine Werke vor. 1923 wurde er in den Programmausschuss berufen und setzte sich dafür ein, dass auch Arnold Schönberg und Anton Webern, die späteren Heroen der ernsten, atonalen Neuen Musik der Nachkriegszeit, gespielt wurden.
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