Gerade hat die Kuratorin Monika (Ursula Strauss) sehr kompetent eine Ausstellung eröffnet, hat dabei aber erfahren, dass ihr Chef Peter (Alex Brendemühl) die Stelle wechselt und damit auch ihre eigene prekär wird, ist danach aufgewühlt durch die nächtlichen Straßen des Frankfurter Bahnhofsviertels gelaufen, steht nun im Hinterhof eines afrikanischen Lokals und will eine rauchen, als es drinnen laut wird, als die Tür aufgeht, als ein Mann herausstürmt, sich schnell umsieht, sie neben die Mülleimer drängt und ihr rät, sich wie er zu ducken und ruhig zu sein. Ein schwarzer Mann (Passi Balende), gutaussehend, gut angezogen – und ihr plötzlich ganz nah. "I'm sorry", sagt er leise, als sie zusammen an der Wand kauern, und stellt sich höflich vor: "I'm Joseph." Sie zögert nur kurz, sagt: "I'm Monika", und als er erwidert: "Nice to meet you, Monika", ist es geschehen.
Ein Blick – und die Liebe bricht aus? Ja, so darf man es wohl formulieren, auch wenn der Ort und die Umstände kaum weniger romantisch sein könnten. Und es wird ja schwierig bleiben, sie haben ganz andere Vergangenheiten, leben in verschiedenen Milieus und Kulturen, sind eigentlich ein ganz unmögliches Paar. Sie wissen das auch, stürzen sich trotz dieser stürmischen ersten Begegnung auch nicht gleich aufeinander, sondern gehen so miteinander um, als könnten sie selber noch gar nicht recht fassen, was mit ihnen passiert ist. Aber ihre Gesten und Blicke sind ihnen voraus und verraten eine gegenseitige Attraktion, die sich nicht mehr verdrängen lässt. Als Monika mit ihrer Freundin Ursula (Victoria Trautmannsdorff) im Bistro sitzt, meldet sich ihr Handy. "Ein Künstler?", fragt die Freundin. Monika schüttelt leicht den Kopf, lächelt beglückt, so dass man sofort weiß, wer angerufen hat.
Vor ihrem Haus haben sich Monika und Joseph noch scheu mit Wangenküssen verabschiedet, nun sitzen sie in seiner kleinen Küche, nachdem die von ihr mitgebrachten Blumen in eine aufgeschnittene Plastikflasche gesteckt wurden, und sie sagt: "You are pretty." Er hält lange ihre Hand – und dann ist es schon danach, sie sind im Bett und sie fragt nach der Narbe auf seinem Rücken. Er wollte nicht zur Armee, sagt Joseph, der aus dem Kongo stammt und auch dorthin zurück will, um auf seinem eigenen Land eine Diamantenmine zu betreiben. In Deutschland mache er in Import-Export, das sei aber nur vorübergehend, er brauche für sein Vorhaben auch nicht viel, nur ein oder zwei Millionen. Bei solchen Sätzen lächelt Monika, weiß nicht, ob sie ihm glauben soll, und wir Zuschauenden wissen es auch nicht. "Bist du wirklich ein Prinz?", fragt sie Joseph, der in den Kneipen der kongolesischen Community so tituliert wird. Eine Antwort bleibt aus.
Die Regisseurin Lisa Bierwirth, die schon mit Maren Ade ("Toni Erdmann") und Valeska Grisebach ("Western") zusammengearbeitet hat, wurde bei ihrem Spielfilmdebüt "Le Prince" inspiriert von der Geschichte ihrer Mutter, die einen Mann aus Kinshasa geheiratet hatte. "Trotz aller Probleme waren sie ein wirklich tolles, schillerndes Paar – in ihrer Unterschiedlichkeit, aber auch Widerständigkeit, in ihrem Humor und ihrer Dynamik", sagt Lisa Bierwirth. Sie sagt aber auch dies: "Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn ihrer Beziehung leider auch misstrauisch war und mich fragte, ob das gut gehen kann, ob ihre 'Unterschiede' nicht viel zu groß sind. Dann habe ich aber immer mehr verstanden, welche Kraft und welchen Mut es braucht, eine Liebe zu leben, der nicht die gleichen Chancen eingeräumt werden, die eben misstrauisch beäugt wird, und zugleich die Nähe und Intimität zu behalten."
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