Zurzeit tourt die niederländische Anarcho-Punk- und Weltmusikband The Ex durch Europa und feiert ihr 40-jähriges Jubiläum. Über die Jahrzehnte hat sich die Musik der Amsterdamer enorm weiterentwickelt, zum rohen Punk-Sound der Anfangstage kamen Elemente von Noise und Free Jazz über osteuropäische und türkische Melodien und zuletzt äthiopische und eritreische Elemente hinzu. Ihre Experimentierfreude führte schon zu Kooperationen mit weit bekannteren Musikerkollegen, ob Avantgarde-Cellist Tom Cora oder die US-Alternative-Ikone Sonic Youth. The Ex brechen gängige Rockstrukturen auf, verlassen starre Rhythmen und Schemen – und mit für diesen immer wieder wilden und überraschenden Sound sorgt an den Drums seit 35 Jahren eine gebürtige Schorndorferin: Katherina Bornefeld, kurz Kat.
Einen Anteil an diesem Werdegang hat auch der Club Manufaktur, der in den 1970ern dafür sorgte, dass Schorndorf ein Mekka der linken Gegenkultur und die heimliche Rockhauptstadt im Südwesten war. "Ab 1975 ging ich in das Jugendzentrum Hammerschlag und in die Manufaktur", erzählt Kat. "Die internationalen Bands, Theater und politische Diskussionen haben mir die Augen geöffnet. Diese Lebensschule hat mir gezeigt, dass die Welt veränderbar ist."
Von Schorndorf zog es die damals 20-Jährige 1981 nach Stuttgart. Dort trommelte und sang sie bei den Bands Masturbation, Leblose Blicke und 1982 und 1983 bei 3Musketiere. Mit Masturbation spielte Kat vor dem Gefängnis in Stuttgart Stammheim, aus Solidarität mit den Gefangenen der RAF und um gegen die Haftbedingungen zu protestieren.
Die schwäbische Punkszene als Nährboden
"Alles war erlaubt, bunt, verrückt und auffällig. Es machte Spaß, sich Normen zu entziehen und eigenwillige Kreationen zu entwerfen. Ich war schnell akzeptiert", sagt Kat. Die schwäbische Punkszene habe für sie den Nährboden geschaffen, zur selbstbewussten Frau zu reifen. Nicht alle kamen damals mit der Geschwindigkeit mit, in der Punk verkrustete Denkmuster aufbrach. Viele Jungs steckten noch in ihren Rollenklischees und alberten herum, wenn sich Punkfrauen auf die Bühne wagten – die andererseits bei Bands wie Siouxsee and the Banshees, Blondie oder The Slits schon selbstverständlich waren. Auch in Stuttgart gab es damals schon eine reine Frauenpunkband, nämlich Frauenklinik.
Kat jedenfalls fühlte sich frei genug, um dilettantisch loszutrommeln und auf Alltagsgegenstände einzuschlagen. Drummer waren rar und sie war gefragt, zumal sie ihr Spiel rasch verbesserte. Über das schreibt in der Osterausgabe 1982 des Tübinger Fanzines "Die (H)eilige Schrift" ein gewisser M.M.: "Kat übertrifft alle Frauen, die bisher auf den Berliner Jazztagen auftraten!"
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