Dieser dunkle Keller in einem alten Fabrikgebäude war für viele Schorndorfer Bürger in den späten Sechziger- und den Siebzigerjahren wohl das Herz der Finsternis, politisch gesehen: ein Refugium für Staatsfeinde, Umstürzler und Kommunisten. "Anstand; Autorität und Würde unserer Jugend wird dort untergraben und zerstört", hieß es in einem Zeitungs-Leserbrief über die Manufaktur, dass "durch einseitige politische Seelenmassage" eine "Manipulation von Jugendlichen" erfolge, in einem anderen. Der Grund war nicht nur, dass sich an diesem Ort besonders viele umstürzlerisch aussehende, da langhaarige Jugendliche herumtrieben, sondern dass diese neben Konzerten noch langhaarigerer und ohrenbetäubend lauter Bands auch hier angebotene Marxismus-Seminare besuchten, an Kriegsdienstverweigerer-Beratungen oder Veranstaltungen zum Vietnam-Krieg teilnahmen. Auch der CDU-dominierte Schorndorfer Gemeinderat beäugte die Manufaktur mehr als zurückhaltend; Anträge auf Zuschussgelder von der Stadt wurden jahrelang zurückgewiesen.
Nicht nur das mit dem Geld hat sich mittlerweile geändert. Als Hort linker Umsturzgefahr wird die Manufaktur – oder Manu, wie die meisten sagen – 50 Jahre nach ihrer Gründung wohl selbst von eher konservativen Schorndorfern kaum noch gesehen. Jene Konflikte und Reibungen in der Gesellschaft, die damals heiß waren, sind sicher nicht komplett verschwunden, aber doch größtenteils stark abgekühlt. Dabei ist die Manufaktur noch heute vor allem das, was sie im Grunde immer schon war: Einer der interessantesten Auftrittsorte in der Region für Musiker, die sich abseits des Mainstream bewegen. Ob Alternative-Rock, Free Jazz, HipHop oder gänzlich Unkategorisierbares, mit einem Programm, das immer wieder auch Besucher aus der Schweiz oder Frankreich anlockt, wie etwa im vergangenen Oktober beim Konzert der amerikanischen Metal-Sonderlinge Melvins. Der große Unterschied ist, dass die einstige Oase der Gegenkultur damit heute selbstverständlicher Teil der Schorndorfer Stadtkultur geworden ist. In der Festschrift zum 50. Jubiläum, <link https: www.club-manufaktur.de programm kalender vorschau veranstaltungen detail_vorschau external-link-new-window>das am kommenden Samstag gefeiert wird und schon lange ausverkauft ist, heißt es: "Wir sind auf dem Weg, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen."
Das Erbe von '68
So ein Satz kann für manche auch bedrohlich klingen. Weswegen sich die Frage aufdrängt: Verstehen die heutigen Manufaktur-MacherInnen ihr Schaffen noch als politisch? "Das tun wir sehr wohl", sagt Programmgestalter Werner Hassler, der kaum verhehlen kann, dass ihn schon die Vermutung aufregt, dies könne nicht mehr so sein. Man müsse nur mal einen Auszug aus dem Programm der letzten Monate anschauen: Ein Konzert "Laut gegen Rechte Gewalt", eine Podiumsdiskussionen zu den deutsch-türkischen Beziehungen, Veranstaltungen mit Autoren wie dem Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller, der ein Buch über Populismus geschrieben hat, oder dem Journalisten Ömer Erzeren, der die Türkei unter Erdogan auf dem Weg in die Präsidialdiktatur sieht.
Sieht sich die Manu also immer noch dem Erbe von 1968 verpflichtet? Auch wenn man die damalige Zeit nicht mit der heutigen vergleichen könne, "ich glaube schon, dass es nach wie vor Parallelen gibt, dass wir immer noch in dieser Tradition arbeiten", sagt Andrea Kostka, seit 1987 aktiv in der Manu und inzwischen Geschäftsführerin. "Wir sehen es auch heute als unsere Aufgabe an, nach innovativen Strömungen zu gucken, interessante Veranstaltungen anzubieten und dabei Mainstream zu vermeiden."
1 Kommentar verfügbar
Klaus
am 10.05.2020Und gestern, am 09. Mai 2020, ist Karl-Otto Völker gestorben.
Danke an die Ehrenamtlichen und Engagierten, die mir eine solche Zeit ermöglicht haben.