
Eine kleine Bucht in Südfrankreich. Auf einer großen Terrasse steht ein alter Mann und schaut auf die Nachbarhäuser, auf die Boote, auf das Meer. Es ist ein prüfender, ein bilanzierender, ein letzter Blick. "Was soll's", murmelt er schließlich, zündet sich eine Zigarette an und sackt zusammen. So kommen die drei erwachsenen Kinder des Mannes, der nach seinem Schlaganfall in komatösem Zustand vor sich bin dämmert, wieder zusammen: Die erfolgreiche Pariser Theaterschauspielerin Angèle (Ariane Ascaride), der man schon beim Aussteigen aus dem Taxi anmerkt, wie fremd ihr dieses Kaff geworden ist; der zynisch gewordene Joseph (Jean-Pierre Darroussin), ein Ex-Professor und Ex-Gewerkschafter, der seine um viele Jahre jüngere Freundin mitbringt; und der in sich ruhende Armand (Gérard Meylan), der dageblieben ist und das Restaurant des Vaters in dessen Sinn ("Für Leute mit wenig Geld") weitergeführt hat.
"Das Haus am Meer" fügt dem Werk des 1953 in Marseille geborenen Robert Guédiguian eine weitere Geschichte hinzu. Dieser Regisseur, der schon in den achtziger Jahren debütierte und seitdem immer wieder mit seinen Stammschauspielern arbeitet, ist längst zum Chronisten seiner Heimatstadt und deren Umgebung geworden. Auch wenn er keine direkten Fortsetzungen inszeniert, stehen seine Filme doch nicht nur für sich, die Geschichten, die etwa in "Marius und Jeannette" (1997), "La ville est tranquille" (2000) oder "Der Schnee am Kilimandscharo" (2011) erzählt werden, ergeben in der Summe einen eigenen Kosmos. Es geht um Familienbeziehungen, Freundschaften, Loyalität und, natürlich, um die Liebe. Aber es geht auch um Politik: All dies spielt sich bei Guédiguian nämlich nicht im luftleeren Raum ab, sondern in einem genau geschilderten Milieu. Es ist das proletarische Milieu, in dem die Protagonisten aufgewachsen sind, und in diesen Filmen kann man beobachten, warum und wie es sich gerade auflöst.
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