Verdammt eng ist es in dieser Kutsche! Und mit welch unangenehmen Mitreisenden die so milchig-sanft wirkende Abigail (Emma Stone) sich den Platz teilen muss! Mit einem dreist-feisten Lümmel zum Beispiel, der sie lüstern angrinst und dabei, ohne das zu verbergen, masturbiert. Endlich ist der englische Königshof in Sichtweite, an dem Abigail sich um eine Anstellung bemühen will. Die Kutsche hält, die junge Frau wird beim Aussteigen von hinten gestoßen und platscht in den Schlamm: Abigail ist ganz unten angekommen. Aber ihr Blick ist nach oben gerichtet, und nun ist hinter ihrem Liebreiz auch noch etwas anderes zu spüren: ein ungeheurer Wille, sich zu behaupten, komme, was da wolle.
Es kommt viel in dieser brillanten Tragikomödie von Yorgos Lanthimos ("The Lobster"), die sich nun, im frühen 18. Jahrhundert, an den Hof von Queen Anne (Olivia Colman) und deren oberster Ratgeberin Lady Sarah Churchill (Rachel Weisz) begibt und die royalen Säle, Kammern und Korridore nur noch selten verlassen wird. Da draußen mögen die Untertanen darben, da draußen mag ein Krieg gegen Frankreich toben, doch der Mittelpunkt der Welt, jedenfalls für die drei weiblichen Hauptfiguren, ist hier drinnen. Die launische und gichtgeplagte Königin weiß nicht mal, ob der Krieg noch andauert, sie überlässt die Amtsgeschäfte ihrer taffen Lady Sarah. Die wiederum beherrscht politische Machtspiele ausgezeichnet – im Ränkeschmieden eine Eins! –, aber letztlich geht es ihr um die eigene Stellung am Hof. Und die ist bald gefährdet durch eine Rivalin namens Abigail.
"Mit fünfzehn hat mein Vater mich beim Kartenspiel verloren!", sagt Abigail, die zunächst als Küchenmagd eingesetzt und gemobbt wird. Aber sie sagt auch: "Ich bin eine Lady, selbst wenn ich nicht in dieser Position bin!" So versucht sie, sich zurück in die Gesellschaft zu intrigieren, überschreitet zielgerichtet ihre Kompetenzen, wird dafür ausgeprügelt, gewinnt aber die Gunst von Queen Anne und schließlich auch das Vertrauen von Lady Sarah. Bis sie von dieser wahren Machtausüberin, übrigens eine Vorfahrin des späteren Premierministers Winston Churchill, als große Einschmeichlerin erkannt wird und der Kampf um die königliche Favoritenstellung entbrennt. Und weil die mit dem Armeeführer Lord Marlborough verheiratete Lady Sarah nicht nur Ratgeberin von Queen Anne ist, sondern auch deren Liebhaberin, wird dieser Kampf auch körperlich und im Bett ausgetragen. "Ich mag es", so erklärt die Königin, "wenn sie ihre Zunge in mich reinsteckt!" Oder auch mal, im königlichen Imperativ: "Fuck me!"
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