Für Kontext steigt der Meister, inzwischen 71 Jahre alt, auf die Leiter. Er will den richtigen Blickwinkel festlegen für seine Skulptur, an der er seit einem Jahr arbeitet. Sie zeigt einen kämpfenden Laokoon. Auf dem Bild darf er aber nur ohne Kopf zu sehen sein, weil es noch streng geheim ist, wer hier mit den Schlangen ringt. So viel haben wir in Kontext schon enthüllt: Die Ungeheuer sind unschwer als ICE zu erkennen, und das Ganze soll <link https: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft ein-denkmal-fuer-s-21-5566.html external-link-new-window>ein Denkmal für Stuttgart 21 werden. Für den "irren Tunneltrip durch Gipskeuper und Mineralbäder", wie der Künstler sagt.
Lenk wäre nicht Lenk, wenn er nicht versuchen würde, bis zuletzt zu verbergen, was er genau im Schilde führt. Immerhin: Bei seiner Privatführung durch das Bodmaner Atelier lässt er erkennen, wer alles aufs Korn genommen wird. Diverse Ministerpräsidenten, sozialdemokratische Spitzenpolitiker, unerbittliches Justizpersonal, bohrende Unternehmer und weihrauchschwingende Pfarrer. Ihre Namen bittet der Bildhauer (noch) zu verschweigen; die Erfahrung hat ihn gelehrt, so lange wie möglich Identitäten nicht preiszugeben, um sich vor Klagen zu schützen.
Man schaute sich's an und lachte sich scheckig, wenn es nicht so bitter wäre. Lenk nennt sein Werk, an dem er bereits seit einem Jahr hingebungsvoll arbeitet, nicht von ungefähr "S 21 - Das Denkmal. Die Chronik einer grotesken Entgleisung". Und wer seine Plastiken und Reliefs kennt, weiß, dass die verantwortlichen Figuren sauber modelliert und jederzeit identifizierbar sind, was zum Beispiel Martin Walser veranlasst hat, seinen Friseur in Überlingen zu wechseln. Auf dem Weg zum Barbier steht der "Bodensee-Reiter", der ihn in gekrümmter Haltung auf dem Pferd zeigt, mit Schlittschuhen an den Füssen, und da wollte der Großdichter nicht mehr dran vorbei gehen.
Nun ist das eher eine kleine Episode verletzter Eitelkeit. Der Personen-Zug auf dem irren Tunneltrip ist eine andere Kategorie. Natürlich wegen der politischen Dimension, aber auch wegen der schieren Größe. Neun Meter hoch ragt die Skulptur, so hoch, dass man von unten nur noch vermuten kann, wer ganz oben schwebt. Es könnte ein Oberstaatsanwalt sein.
Ein Wahrzeichen wie die "Imperia" in Konstanz
Und jetzt ist die Frage: Wo soll das Denkmal stehen? Verkehrsexperte Winfried Wolf und seine Freunde von der S-21-Front hätten es gerne auf dem Stuttgarter Schlossplatz, dort, wo seit zehn Jahren demonstriert wird. Am vergangenen Montag war es das 447. Mal. Wolf meint, es könnte ein Wahrzeichen werden wie die Lenksche "Imperia", die an der Konstanzer Hafeneinfahrt grüßt und inzwischen zu den bekanntesten Statuen Deutschlands zählt. Das habe doch "ausgesprochen positive Auswirkungen auf Wirtschaft und Tourismus", betont der Vetter von Justizminister Guido Wolf (CDU), wenn es zu einem "eindrucksvollen Kristallisationspunkt des öffentlichen Interesses" werde.
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Bruno Neidhart
am 14.01.2019