Hühnerkäfige in einem Lastwagen, daneben dicht gedrängt auch Menschen, stehend, schweigend, angespannt. Nur ein Kind weint. Wortlos springt die Gruppe nun von der Ladefläche, eilt durch nächtlichen Wald, bis an einem Flussufer grelle Scheinwerfer in die Dunkelheit platzen und ein Lautsprecher schreit: "Grenzkontrolle!" Die Menschen stürzen sich ins Wasser, tauchen, atmen schwer, keuchen ans Ufer, rennen durch Schlamm. Der junge Syrer Aryan (Zsombor Jéger) verliert im Chaos seinen Vater aus den Augen, er steht nun allein und verloren auf einem Waldweg und wird gestellt vom Polizisten László (György Cserhalmi). Der legt mit unbewegter Miene auf den Grenzüberscheiter an und schießt ihm ohne jede Vorwarnung dreimal in die Brust.
Aber es ist für den leblos daliegenden Aryan noch nicht alles vorbei, er überschreitet jetzt erneut eine Grenze und kehrt zurück aus dem Reich der Toten. Und nicht nur dies: Nach seiner Wiederauferstehung kann er, was ihn selber irritiert, in die Luft steigen und fliegen. Eine Superhelden-Story? Ja, was die Erlangung der besonderen Fähigkeiten betrifft. Nein, was die Eingliederung dieses Films in das immer noch boomende US-Genre betrifft. Aryans Überwindung der Schwerkraft etwa zeigt sich weniger als jenes zielgerichtet selbstbestimmte Fliegen von Superman und Co., sondern eher als ein von überirdisch-anonymen Mächten ausgelöstes Geflogen-Werden, bei dem es zunächst auch zu Landungsproblemen kommt. Und dann ist Aryan ja gar nicht der Held dieser Geschichte, sondern "nur" jenes Wunder, an das der illusionslos-skeptische Doktor Stern (Merab Ninidze) lange nicht glauben will.
Wenn Wunder zum Geschäftsmodell werden
Doktor Stern ist ein Mann Mitte vierzig, der in seinem angeranzten Wohnblock-Apartment erwacht, mit trübem Blick einen toten Vogel auf dem Fensterbrett registriert, sich eine Zigarette ansteckt und später auf dem Weg zur Arbeit den zwei missionierenden Männern, die ihm eine Bibel aufdrängen wollen, mit böser Ironie erklärt, da sei ihm zu viel Gewalt drin, das könne zu Hirnschäden führen. "Glauben Sie denn an irgendetwas?", fragen die Religionsverkäufer. "An die Wiederauferstehung Ungarns!", antwortet Doktor Stern sarkastisch. Dann fährt er ins Flüchtlingslager, einen trostlosen Unort aus Zäunen, Zelten und Zynismus, und lässt sich dort – Hospitaleinweisungen gegen Geld! – routiniert bestechen. Auch Aryan ist in diesem Lager gelandet, und als Doktor Stern ihn bei der Untersuchung abheben sieht, sagt er: "Ich brauch' einen Schnaps!" Und will dann aus Aryans Schwebefähigkeit sofort ein Geschäftsmodell machen.
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