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Wer kommt nach Nix?

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Im Konstanzer Rathaus werden sie drei Kreuze schlagen, wenn die Wahl gelaufen ist. Dann hat das Theater eine neue Intendanz und die Amtszeit von Christoph Nix ein absehbares Ende. Ruhe ist damit aber noch nicht garantiert.

Die Zukunft des Theater Konstanz entscheidet sich am Donnerstag, dem 19. Juli. Dann wählt der Gemeinderat einen neuen Intendanten. Das ist nach fast zwölf Jahren Christoph Nix, nach viel Getöse und intensiver Reibereien mit der Lokalpolitik, nicht irgendeine Personalie. In dieser Entscheidung liegt auch die Antwort auf die Frage, wie sich das Stadttheater, das sich gerne als die älteste bespielte Bühne Deutschlands rühmt, in Zukunft entwickeln soll.

Der Vertrag von Nix (63) wurde über 2020 hinaus auch deshalb nicht verlängert, weil er manchem Entscheider in der Stadt offenbar zu sehr auf die Nerven ging mit seinem Bestreben, auch das Lokale politisch zu verstehen. Dabei war es unter anderem das, was das Konstanzer Theater für die Bevölkerung so relevant machte: Es setzte sich nicht nur mit den Dramen der Welt, sondern auch mit seiner unmittelbaren Umgebung auseinander. Wird das in Zukunft auch noch möglich sein? Oder nimmt Kulturbürgermeister Andreas Osner (SPD) das Theater enger an die Leine?

Die Antwort darauf wird maßgeblich von Nix' Nachfolger beziehungsweise Nachfolgerin abhängen. Die verbliebenen zwei Kandidaten aus einer größeren Bewerberschar sprechen zumindest dafür, dass das Theater weiter ein Ort des Diskurses bleiben wird. Es sind Karin Becker, aktuell künstlerische Betriebsleiterin am Hamburger Thalia-Theater, und Frank Behnke, Schauspieldirektor am Theater Münster. Becker kommt wohl auf Empfehlung von Uli Khuon, dem Intendanten des Deutschen Theaters Berlin. Beide kennen sich aus früheren Zeiten.

Karin Becker stammt aus Stuttgart, ist seit fast 30 Jahren im Theaterbetrieb. Angefangen hat sie bei der Württembergischen Landesbühne Esslingen, dem Jura-Soyfer-Theater in Wien und dem Theaterhaus Stuttgart, später arbeitete sie am Schauspiel des Staatstheaters Stuttgart als Produktionsleiterin und Disponentin. Sie leitete verschiedene Produktionen unter anderem für Regisseure wie Sebastian Nübling, Martin Kuséj und Uli Jäckle. Selbst Regie geführt hat sie nie. Nach der Zeit als Produktionsleiterin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg war sie von 2009 bis 2015 Künstlerische Betriebsdirektorin und Stellvertretende Geschäftsführerin am Schauspiel Hannover unter der Intendanz von Lars-Ole Walburg. Seit November 2015 ist sie Künstlerische Betriebsdirektorin am Thalia Theater.

Ihr Konkurrent Frank Behnke ist gebürtiger Hannoveraner und studierte Literaturwissenschaften im Schwerpunkt Theater und Medien an der Universität Hamburg. Seit Beginn der neunziger Jahre arbeitet er kontinuierlich als Dramaturg und Regisseur. Engagements führten ihn unter anderem an die Landesbühne Niedersachen in Wilhelmshaven, als leitenden Schauspieldramaturg an das Theater Osnabrück und in gleicher Funktion an das Schauspielhaus in Hamburg. Wichtigste künstlerische Station war das Staatstheater Nürnberg, wo er zehn Spielzeiten stellvertretender Schauspieldirektor und Chefdramaturg war. Am Theater Münster ist Behnke seit 2012 Schauspieldirektor. Seine Hamlet-Inszenierung wurde 2013 von "nachtkritik.de" unter die zehn besten Inszenierungen deutschlandweit gekürt.

Niemand weiß, was aus Nix' Polittheater wird

Über ihre Pläne mit dem Theater Konstanz wollten beide Bewerber vor der Wahl nicht öffentlich sprechen. Deshalb lässt sich die Frage, wer von beiden näher am Nix'schen Polittheater ist, derzeit nur ungefähr beantworten. Von Karin Becker ist bekannt, dass sie sich für den gesellschaftlichen Diskurs einsetzt. Am Thalia-Theater hat sie Anfang des Jahres einen Bürgergipfel mitinitiiert, um Hamburger und geflüchtete Neu-Hamburger miteinander ins Gespräch zu bringen. Für welche Art von Theater sie steht, hat sie in einem Interview mit dem Hamburger Stadtmagazin "Szene" so beschrieben: "Wir müssen uns den aktuellen gesellschaftsrelevanten Themen stellen und ein Zeichen setzen, denn die Zeiten des nur Zuhörens und Zuschauens sind vorbei. Wir müssen den Mund aufmachen und sagen, was wir denken – laut und deutlich."

Brücke nach Berlin

Der Ruhm des Konstanzer Theaters endet natürlich nicht am See. Sein Donnerhall reicht weit darüber hinaus, weshalb es jetzt auch eine "Brücke nach Berlin" gibt. Genauer gesagt eine Medienpartnerschaft mit der taz und dem "Freitag". Während die eine widerspenstig und dennoch den Menschen zugewandt sei, teilt das Theater mit, polarisiere der andere mit überraschenden Argumenten. Wie das Theater Kons­tanz eben, das damit deutschlandweit präsent sei. Und was ist mit dem famosen "Südkurier"? Nix ist mit dem. Die "vermeintlich großen Medien" am See, heißt es, ließen die gebührende Anerkennung immer noch vermissen. (jof)

Von Behnke heißt es, sein Ideal sei politisch relevantes, auf die Stadt zugeschnittenes Theater. Aber welcher Intendant oder Regisseur würde das nicht für sich reklamieren? Die von ihm noch geplante Spielzeit 2018/2019 am Theater Münster wartet mit "Ego-Monstern, Machtmenschen und Tyrannen" auf. Der Spielplan ist bunt gemischt, es finden sich darin Stücke von Albert Camus ("Caligula"), Friedrich Schiller ("Wilhelm Tell"), Leo Tolstoi ("Anna Karenina"), Neil LaBute ("Eine Art Liebeserklärung") und Lot Vekemans ("Judas").

Wer am Ende die Nase vorn haben wird, ist derzeit kaum zu sagen. Beide sollen eine sehr gute Lösung für Konstanz sein, sagen Leute, die an der Auswahl beteiligt sind. Sollte Karin Becker gewählt werden, könnte etwas Besonderes passieren: Dann säßen auf drei wirkmächtigen Positionen in der Stadt Frauen. Kerstin Krieglstein ist bereits zur Rektorin der Universität Konstanz gewählt worden, ebenso startet Insa Pijanka ihr Amt als Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie im Januar 2019. Sollte Becker am Donnerstag also tatsächlich gewählt werden, fehlte zur Vervollständigung eines Quartetts eigentlich nur noch, dass Konstanz mal eine Oberbürgermeisterin bekommt. Die nächste Chance dafür bietet sich bereits bei der OB-Wahl 2020.


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1 Kommentar verfügbar

  • Thomas Rothschild
    am 18.07.2018
    Antworten
    Ist eine Medienpartnerschaft zwischen Kulturveranstaltern und Medien, der Institution also, die jene kritisch und unabhängig zu begleiten hätte, tatsächlich erstrebenswert? Ist es nicht vielmehr ein Problem, dass Medien zunehmend als Veranstalter auftreten, sich selbst bewerben und häufig sogar…
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