Le Pen aber geht ihren Weg weiter. Ihre Postenangebote an rechte Konservative, die sie für eine Parlamentsmehrheit und eine Regierung braucht, werden gern angenommen, Premier wird der antiislamische, homophobe und real existierende Gerard Longuet. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind bald durch finanzielle Austrocknung erledigt, der Ausstieg aus dem Euro wird vollzogen, in den Schulen gehört das Absingen der Marseillaise zum Pflichtprogramm, und in den Rathäusern werden der Präsidentin nachgebildete Marianne-Büsten aufgestellt. "Frankreich zuerst" heißt nun das Motto, auch was Wohnungen und Arbeitsplätze betrifft. Migranten werden verhaftet und abgeschoben, von allen Bürgern Überwachungs-Dossiers angelegt.
"Die Wiederbelebung der Ideologie des Nationalismus", so schreibt François Durpaire in seinem Vorwort, "wird von dem Gefühl genährt, dass die alten Nationen hinter dem Rest der Welt zurückfallen, von der Idee der wirtschaftlichen Konkurrenz, von dem Schaudern vor der demographischen Entwicklung, die die eigene Identität durch die ,Vermischung der Rassen' in Frage stellt, und vor der Angst vor dem Terrorismus". Was Durpaire hier aufzählt, setzt er in seinem Comic allerdings voraus - und leider nicht um. So genau "Die Präsidentin" auch die Realisierung des FN-Programms beschreibt: die Gründe für den Le-Pen-Sieg bleiben ausgespart.
In einem sehr pathetischen und eher misslungenen Erzählstrang zeigt der Band dagegen den Widerstand, der sich in der Wohnung der 94-jährigen Ex-Résistance-Kämpferin Antoinette und ihrer blogschreibenden Freunde und Enkel ("resistance.fr") formiert. Die zum Teil mit Migrationshintergrund ausgestatteten Protagonisten werden nicht zu Charakteren, sie bleiben eindimensionale und mit Sprechblasen gefüllte Helden, Opfer oder Wunscherfüllungen. Überhaupt ist dieser Comic recht textlastig geraten und – jedenfalls für deutsche Rezipienten – auch sehr kleinteilig. Diese vielen Namen von Parteimitgliedern, TV-Moderatoren, Schauspielern, Journalisten, Philosophen oder Rappern verlangen jedenfalls sehr gute Einblicke in die Politik- , Medien- und Kulturwelt des Nachbarlands.
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