Die Schlachten sind geschlagen, der Erste Weltkrieg ist vorbei, Deutschland hat verloren. Aber vergangen und vergessen ist das große Töten nicht. Trotzig hallt noch oder schon wieder das Lied von der "Wacht am Rhein" durch die Gassen der Kleinstadt Quedlinburg, am Stammtisch staut sich ein dumpfer Hass auf die Sieger, und der steif-strenge Arzt Hoffmeister (Ernst Stötzner) gibt sich unversöhnlich: "Jeder Franzose ist für immer der Mörder meines Sohnes!" Die sanfte, junge Anna (Paula Beer), die mit seinem gefallenen Sohn, Frantz, verlobt war und nun mit im Haushalt lebt, geht währenddessen jeden Tag auf den Friedhof. Aber nun liegen dort Rosen am Grab, und später steht dort auch ein junger Mann, sehr schmal, sehr ernst und sehr französisch.
Dieser misstrauisch beäugte Adrien (Pierre Niney) nimmt sich ein Zimmer im Gasthaus, will Kontakt mit Hoffmeister aufnehmen und wird brüsk abgewiesen. Und dann sitzt er doch im Wohnzimmer dieses Hauses, das von einer Aura der Verzweiflung beherrscht wird. Die Vergangenheit und der Tod lasten in den kleinen Räumen wie dunkles Blei und haben alles Heitere, Frische und Lebendige erdrückt. Aber ganz unerwartet schimmert Hoffnung auf: Adrien holt den Sohn jetzt in gewisser Weise zurück. Er hat Frantz offensichtlich gut gekannt – begierig lauschen der langsam aus seiner Starre erwachende Vater und die herzensgute Mutter (Marie Gruber) seinen Erzählungen, erleben ihren Sohn noch einmal und doch ganz neu. Auch Anna fühlt sich zu Adrien hingezogen, sie ist ja schon, so wie Frantz es war, mit der Literatur des Nachbarlandes vertraut, zitiert Verlaine in der Originalsprache und entdeckt, dass Adrien seinerseits Rilke schätzt. Die Versöhnung der Völker könnte sich also anbahnen über die jeweilige Kultur.
Komplexe Verstrickungen
Aber ganz so einfach macht es der Regisseur François Ozon, auch wenn er "den brüderlichen Aspekt dieser beiden europäischen Völker beschreiben" will, dem Publikum nicht. In seinem Film, der auf einem von Ernst Lubitsch verfilmten ("Broken Lullaby", 1931) Theaterstück von Maurice Rostand basiert, schlittert Adrien in seine Erzählungen hinein, weil sie ihm vom Hoffmeister-Haushalt quasi nahegelegt werden. Diese Eltern und zunächst auch Anna bekommen zu hören, was sie hören wollen, irgendwann holt der Vater sogar die Geige seines Sohnes hervor und bittet Adrien, darauf zu spielen. "Haben Sie keine Angst, uns glücklich zu machen!", sagt die Mutter, als Adrien zögert. So tut er, was gewünscht wird – und bricht dann ohnmächtig zusammen. Denn dieser Adrien ist ... Nein, wir dürfen es nicht sagen. François Ozon will das nicht, er hat sich an "alle Journalisten" gewandt und darum gebeten: "Verraten Sie nicht Adriens Geheimnis!"
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