Das Jahr 2013. Flug über den Victoria Peak, Blick auf die Skyline von Hongkong und hinein ins Foyer des Mira-Hotels, wo die Dokumentarfilmerin Laura Poitras (Melissa Leo) und der Investigativjournalist Glenn Greenwald (Zachary Quinto) etwas nervös auf ihren Informanten warten. Es geht in Oliver Stones "Snowden" also umstandslos zur Sache respektive ran an jenen bebrillten jungen Mann im Kapuzenshirt (Joseph Gordon-Levitt), der nun auf Poitras und Greenwald zugeht, codierte Erkennungssätze mit ihnen austauscht, sie in sein Zimmer führt, ihre Handys in die Mikrowelle legt, und sich dann vor der Kamera der Dokumentaristin vorstellt: "Mein Name ist Edward Joseph Snowden ..." Der Rest ist Geschichte.
Der Whistleblower Snowden hat die Welt mit seinem Alarmpfiff aufgeweckt. Wir wissen inzwischen, dass wir alle von der NSA und anderen Geheimdiensten ausgespäht werden, auch wenn die Empörung darüber schon wieder abflaut. Oliver Stone aber, an dessen Film die großen Hollywood-Studios sich nicht beteiligen wollten – Angst und Selbstzensur, so vermutet der Regisseur –, empört sich weiter. Er hat "Snowden" zum großen Teil mit französischem und deutschem Geld finanziert und unter anderem in den Münchner Bavaria-Studios gedreht. Also in jenem Land, dessen Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen vor Kurzem völlig beweislos den perfiden Verdacht geäußert hat, Snowden sei ein russischer Spion. Kleine Abschweifung: Der Jurist Maaßen hat mal mit einem furchtbaren Gutachten verhindert, dass sein unschuldig in Guantánamo gefangener Landsmann Murat Kurnaz freikam und nach Deutschland einreisen konnte.
Für die US-Behörden ist der im russischen Exil lebende Snowden "nur" ein krimineller Landesverräter, der von den Republikanern geleitete US-Geheimdienstausschuss hat gerade erneut gefordert, ihn für seine Verbrechen vor Gericht zu stellen. Für Oliver Stone aber ist Snowden ein Held, der die illegalen Machenschaften des Big-Brother-Staates aufdeckt und anprangert. Sein spannender Film will jedoch nicht nur zeigen, was Snowden getan hat, sondern auch wissen, warum. Und so springt Stone von jenem Hongkonger Hotelzimmer, das in Laura Poitras' aufwühlender Doku "Citizen Four" (2014) den spröden Hintergrund einer von ihm ausgehenden Welterschütterung abgibt, zurück ins Jahr 2004. Snowden wird bei der US Army Reserve über einen Hindernisparcours gehetzt – eine Hommage an Kubricks Drill-Film-Sequenzen in "Full Metal Jackett" –, zieht sich einen Belastungsbruch des Beins zu und wird zu seinem Bedauern ausgemustert.
Die USA sind das "beste Land der Welt"
Edward Snowden, der Patriot! Als er beim CIA anheuert, nennt er als Vorbilder unter anderem die Schriftstellerin Ayn Rand, die noch immer mit ihren elitären Kapitalismus-Fantasien ("Atlas wirft die Welt ab", 1957) die Ultrakonservativen begeistert. Und bei einem Lügendetektor-überprüften Interview antwortet er auf die Frage, ob er die USA für das "beste Land der Welt" halte, mit einem überzeugten "ja!". Was folgt, ist eine Success-Story. Genauer gesagt: die Erfolgsgeschichte eines ruhigen, blassen und auf etwas nerdige Art auch coolen Computergenies. Denn Nerds sind schon lange über die Funktion als nervig-komische Begleitfiguren des Helden hinausgewachsen, anders ausgedrückt: Das Hirn ist – siehe etwa die Netflix-Serie "Mr. Robot" – so hauptrollenfähig wie die Physis.
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CharlotteRath
am 27.09.2016Die Opposition im Bundestag, namhafte Juristen, nationale und internationale Journalistenverbände, ARD und ZDF, zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, die OSZE und sogar drei Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen…