Am zweiten Weihnachtstag 1996 ertranken 283 Flüchtlinge aus Pakistan, Indien und Sri Lanka vor Sizilien im Mittelmeer, als ein libanesischer Frachter ihr Boot rammte. Immer wieder fanden Fischer Leichen in ihren Netzen. Doch die Behörden stellten sich taub. Bis ein Reporter der Tageszeitung "La Repubblica" die Geschichte aufdeckte. Dies hätte außerhalb Italiens vielleicht weniger Aufmerksamkeit erregt, hätte nicht die von dem renommierten Architekten Stefano Boeri gegründete Gruppe "Multiplicity" auf der Documenta 11 den Fall aufgegriffen. "Dieser Platz ist das größte mediterrane Massengrab seit dem Zweiten Weltkrieg", heißt es im Katalog der Ausstellung zu dem Unglücksort vor der sizilianischen Küste.
Bis dahin, 2002, hatten mehr als 20 000 Flüchtlinge die europäischen Küsten erreicht. Sehr viel weniger als heute, wo allein dieses Jahr bereits siebenmal so viele das Mittelmeer überquert haben. Viel geringer war auch die Aufmerksamkeit für das Thema, das heute in den Nachrichten an erster Stelle steht. In einem Punkt hat sich jedoch wenig geändert: Noch immer verdeckt die Mär von den skrupellosen Schleppern, denen endlich das Handwerk gelegt werden müsse, die wahren Ursachen. Seit 2004 bewacht die Agentur Frontex mit militärischen Mitteln die europäischen Außengrenzen gegen Menschen aus ärmeren Teilen der Welt. Dabei sind die Länder südlich der Sahara häufig auf die Einnahmen angewiesen, die ihre Söhne aus Übersee nach Hause schicken. Denn die Entwicklungshilfe reicht nicht einmal aus, um den Schulddienst zu begleichen.
Handel auf verborgenen Wegen
Wer wissen will, wie sich eine Reise durch die Sahara mit dem Ziel Europa abspielt, muss sich den Videoessay <link http: www.geobodies.org art-and-videos sahara-chronicle _blank external-link>"Sahara Chronicle" der Schweizer Künstlerin Ursula Biemann ansehen. Biemann hatte sich zunächst 1999 mit der Situation von Frauen an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze beschäftigt, dann die spanische <link https: www.youtube.com _blank external-link>Enklave Ceuta in Marokko in den Blick genommen und anhand eines deutschstämmigen, im sibirischen Gulag geborenen weißrussischen Biologen die Reisebeschränkungen an den <link https: www.youtube.com _blank external-link>europäischen Außengrenzen untersucht.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!