Stuttgart ist in mancher Hinsicht vorbildlich: Dank der hervorragenden Arbeit des Forums der Kulturen, des Dachverbands der Migrantenvereine, mit dem jährlichen Sommerfest auf dem Marktplatz, aber auch des Instituts für Auslandsbeziehungen und vieler anderer Akteure funktionieren die viel beschworene Inklusion und der Kulturaustausch. Kulturschaffende haben mit der "Art Parade", einer Demonstration gegen geplante Kürzungen im Herbst 2009, ein Signal gesetzt. Ein zweijähriger Kulturdialog war die Folge, aus dem die Kultur gestärkt hervorging. Dass sich der Gemeinderat 2012 nicht an die Zusage halten wollte, das zweite Jahr des Dialogs zu finanzieren: geschenkt. Die im <link http: www.kultur-im-dialog-stuttgart.de information wp-content uploads kid_web_neu2.pdf>Abschlussdokument genannten Ziele könnten direkt als Vorlage für eine Kulturhauptstadt-Bewerbung dienen. Darin ist etwa von kultureller Bildung, Diversität, aber auch vom Selbstverständnis der städtischen Kulturpolitik die Rede.
Dennoch: Kann sich eine Stadt, eine Landeshauptstadt zumal, Kulturhauptstadt nennen, die eines ihrer Wahrzeichen, den Hauptbahnhof, ein eingetragenes Kulturdenkmal besonderer Bedeutung, zu großen Teilen abreißt, wo es doch explizit auch um nachhaltige Mobilität gehen soll? Und was, wenn 2025 mitten im Zentrum der Stadt noch immer ein großes Loch klafft, weil der Tiefbahnhof nicht wie geplant fertig wird? Derzeit nimmt außerdem der Autoverkehr in der Landeshauptstadt immer weiter zu, Stuttgart bleibt europäische Feinstaubhauptstadt, und die S-Bahnen und Regionalzüge kommen häufig zu spät. Ein paar Elektroautos sind da allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ein Gesamtkonzept fehlt völlig.
Blankes Entsetzen bei Stadtplanern
Auch die Antwort auf die Frage, "wie wir künftig leben wollen", die Ludwigsburgs OB Spec so vollmundig in den Ring wirft, bleibt spannend. Denn was in den letzten zwei Jahrzehnten im Talkessel geschehen ist, ruft bei Stadtplanern und auswärtigen Gästen blankes Entsetzen hervor. Baukultur sieht anders aus, wie immer man sie definiert. "Mir fehlt eine ordnende Idee", hat der weltbekannte Bauingenieur Werner Sobek, Gründer der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, schon vor Jahren zur Stuttgarter Stadtplanung bemerkt und kürzlich erneut einen Zukunftsentwurf angemahnt. Emissionsfreiheit, soziale Mischung, Kindgerechtigkeit und Automobilfreiheit wären für ihn lohnende Ziele. Stuttgart verfüge wie kaum eine Stadt über entsprechendes Wissen und Können, mache davon aber viel zu wenig Gebrauch.
Auch auf dem engeren Gebiet der "schönen Künste" wären noch viele Aufgaben abzuarbeiten. Warum überlässt die Stadt eines ihrer herausragenden Baudenkmale, die Villa Berg, einem privaten Investor, obwohl sich sowohl die Fachhochschule als auch eine mustergültige Initiative für die Restauration der Villa einsetzen? Seit 2008 fehlt in Stuttgart ein Kommunales Kino. Seit einem missglückten Versuch der Kulturbürgermeisterin, das zu ändern, hat sich nichts mehr getan, allem Bürgerengagement zum Trotz. Künstlerateliers und Räume für Subkultur fehlen der Stadt. Ein Pluspunkt sind da nur die <link http: www.kontextwochenzeitung.de kultur die-wagenhallen-als-sozialer-marktplatz-2573.html _blank>achtzig Künstler der Wagenhalle, die sich derzeit allerdings in einer prekären und ungeklärten Situation befinden.
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FernDerHeimat
am 30.01.2015Kultur hingegen gilt dort nur als wertlose Position in der Bilanz, im Normalfall aber Streichposten, den man höchstens einmal zu Wahlkampfzeiten auf der Liste abarbeitet. Weil es immer noch bürgerliche Kreise gibt, die…