Da haben sie große Augen gemacht, die Alten: 23 Prozent der Jungen zwischen 18 und 24 Jahren haben bei der Bundestagschallenge die "Freien Demokraten” zu einem Gewinner dieser Wahl gekürt. Eine Partei, deren Kürzel "FDP" im Katalanischen für "fill de puta" steht, also "Hurensohn", und dort in Chats und Social Media verwendet wird, wenn irgendwas besonders geil, crazy, überraschend oder scheisse ist. Deshalb musste mein katalanischer Freund arg lachen, als er zur Wahlkampfzeit an seinem ersten FDP-Plakat vorbeilief und ihm Christian Lindner im schwarzweißen Schmunzelschmalz entgegensexte. Soviel Selbst ohne Ironie kam an bei der Generation Guccibag. Und Deutschland kann's nicht fassen. Versucht sich jetzt in Analyse und Kritik einer Turbojugend, die mal wieder etwas angestellt haben soll, das nicht der Erwartungshaltung der Erwachsenen entspricht. Wow. Ganz was Neues.
Für viele von ihnen lag der medial geprägte Fokus in den vergangenen zwei Jahren nämlich vor allem auf der "Klimajugend" – auch wenn es schon immer eine andere Realität neben den Fridays-for-Future-Kids gab und denen, die für die Rettung des Planeten sogar medienwirksam in den Hungerstreik traten. Eine Realität nämlich, in der noch andere ErstwählerInnen neben den Greta-Ultras existieren. In der nun mal leider viele Junge Christian Lindner feiern, wenn er der Meinung ist, dass man lieber in die Schule gehen und in der Freizeit streiken soll. Schließlich muss man zackig Karriere machen. Die Ich-AG optimieren und Head of Bullshit werden. Am besten schon mit 16 im Hörsaal hocken und irgendwas mit Wirtschaft studieren. So long, so not verwunderlich für eine Generation, die in einem System aufwächst, in dem Bildung schon immer mehr Humankapital als Mündigkeit war.
Trotzdem fragt sich der "Spiegel" nun:"Spinnen die jungen Leute?" und macht Christian Lindner zum "parlamentarischen Arm" einer Generation, "für die die Selbstinszenierung auf sozialen Netzwerken wesentlicher Teil des Daseins ist". Wegen seiner "Verhipsterisierung der Liberalen" haben wir jetzt den Salat. Die FAZ samt herangezogenem Soziologen sieht das Wahlergebnis vor allem als Reaktion auf den Corona-Lockdown, eingeschränkte Freiheiten und auf die Tatsache, dass die Elterngeneration arbeiten gehen "durfte", während die Kids die ganze Zeit zuhause im Digitalunterricht gehalten wurden. Anders kann sich der Soziologe den Erfolg der FDP bei den jungen Menschen nicht erklären. Die Tageszeitung taz stellt fest, dass die Bundesregierung die Probleme der Jugendlichen nicht ernst genommen und dafür eben jetzt die Quittung bekommen hätte. Als hätte die Politik sich jemals für Probleme von Jugendlichen interessiert.
Steuerflucht macht Ehrenmänner
Der Witz ist doch, dass sich die Jungen halt original null von den Alten unterscheiden, die FDP gewählt haben! Die glauben auch, dass die FDP ihr Leben besser macht, obwohl sie so weit von einem FDP-relevanten Kontostand entfernt sind wie MdB Marco Buschmann vom Punk. Anstatt schockiert zu fragen, wie denn so viele Erstis diese Partei wählen konnten, ist es doch blanker Hohn, dass nach der Bundestagswahl niemand mal die berechtigte Frage stellt, wieso eigentlich irgendwer überhaupt FDP gewählt hat. Stattdessen wird so getan, als wären speziell junge Leute nicht mit der FDP vereinbar. Ja aber warum eigentlich nicht? Weil sie Erdbeer-Shisha statt Cohiba rauchen und Red Bull statt Dom Perignon pumpen? Bitcoins statt Offshore?
Bei der ganzen künstlichen Empörung könnte man meinen, dass 18- bis 24-Jährige aus irgendeinem Vakuum kommen, indem der deutsche Wirtschaftsfetisch nicht existiere. Als müssten es die Jungen "besser" wissen und alle die Grünen (lol) wählen, bloß weil der sichtbare Teil von ihnen fürs Klima auf die Straße geht und es sich so schön im Feuilleton von einer revolutionär-verantwortungsbewussten next Generation federfüllern lässt. Dabei ist diese Erwartungshaltung nur die paradoxe Projektion des eigenen Versagens auf die Jugend, die die Fehler der Alten jetzt bitteschön ausbügeln soll, aber stattdessen wiederholt. Wie schwer ist es bitte einzusehen, dass die FDP die Partei ist, die ungeniert repräsentiert, was Deutschland seit Jahrzehnten ideologisch verinnerlicht hat: hegemonialen Neoliberalismus, der einen winzigen Prozentsatz der Menschheit reich hält, einen noch winzigeren reich macht und alle anderen mit falschen Erfolgsversprechen zur maximalen Selbstsausbeutung erzieht.
5 Kommentare verfügbar
Juop
am 09.10.2021Seit Jahren sitzt in sämtlichen Talkshows nur die FFF-Jugend. In den Schulen wird in allen Fächern über Greta gelehrt. Meine Kinder berichten dies selbst aus dem Mathematik- und Englischunterricht.
Da…