Eine Menge ist zu Ende, wenn das Jahr zu Ende und das Elend weiter geht. Am 25. November 2020 ist Maradona gestorben. Keiner konnte so minimalistisch-artistisch dribbeln wie er, dieses Genie der einfachsten Lösungen, die er im Spiel mit dem Leben ohne Ball nicht fand.
Am 4. Dezember haben wir zu schönen Liedern auf dem Stuttgarter Waldfriedhof die Asche unseres Freunds Tschelle zu Grabe getragen. Sein Fußballherz hatte für die Stuttgarter Kickers geschlagen, er war ein guter Trommler, ein gewissenhafter DJ und ein liebenswerter Wirt in Kneipen wie Casino und Schlesinger. Seine Spielweise war nicht minimalistisch, und so starb er mit 59, ein Jahr jünger als Maradona.
Pardon, ich bin bei meinem Jahresrückblick, der nur deshalb noch den Fußballer und den Trommler berücksichtigen kann, weil dieses Der-Schuss-geht-nach-hinten-los-Ritual im medialen Konkurrenzgeballer viel zu spät kommt. Wollen Jahresrückblicke heute noch wahrgenommen werden, müssen sie spätestens im Indian Summer geliefert werden. Der Indian Summer, der warme, regenfreie Spätherbst in Nordamerika, entspricht in etwa unserem deutschen Altweibersommer.
Keine Bange, der "Altweibersommer" steht nicht mehr auf der Liste politisch unkorrekter Wörter, seit das Landgericht Darmstadt 1989 entschieden hat, dass er "keinen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte älterer Damen" darstellt. Er rührt wohl vom althochdeutschen "weiben" her und meint das Knüpfen von Spinnweben (nicht die Silberfäden in Frauenhaaren).
Dank Klimawandel erleben wir bei uns den Indian Summer auch noch im Dezember. Einen Tag vor Heiligabend habe ich mich mit einem pensionierten Bäckermeister vor seinem Familiengeschäft unterhalten, er trug Sandalen und kurzärmeliges Hemd. Diese Kleidung hatte er nicht aus Vergesslichkeit gewählt, sonst hätten wir uns nicht über die Zeiten unterhalten, als Maradona noch gedribbelt, Tschelle noch gezapft und mehr Bäcker gute Brezeln gebacken haben.
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