Vorschriftsmäßig stiefle ich mit Mund-Nasen-Vorhang durch die Straßen der sogenannten Stuttgarter Innenstadt und denke über die Vorteile meines bedeckten Spaziergänger-Gesichts nach: Zum einen verschafft der Corona-Schleier auch noch der langweiligsten Visage etwas Geheimnisvolles. Zum anderen lerne ich endlich, was unter dem amtlich markierten "Cityring" mit Maskenpflicht zu verstehen ist. Keine einfache Aufgabe in einer Stadt, die keine City mehr hat, seit ihre Politiker mit Gespür für die Zukunft das Zentrum mit Autobahnen tranchierten.
Ich gehe herum in dieser verschärften Seuche der Oktobertage, kann durch die Schaufenster hindurch das Weihnachtsgeschäft riechen und sage mir: Jetzt, da Maria und Josef wieder auf der Suche nach einem Fünf-Sterne-Hotel sind, war es vielleicht doch keine so gute Idee der Herrschenden, ausgerechnet vor Weihnachten ein "Beherbergungsverbot" zu verhängen. Womöglich endet das Ganze wieder im Kuhstall, weil ein paar Esel immer noch nicht begriffen haben, was ein solches Unterkunftsdebakel für die Welt bedeuten kann. Fragen Sie Ihren Pfaffen.
Zum Glück sind bald OB-Wahlen in der Stadt. So gut wie alle, die antreten und die laut Umfragen kaum jemand kennt, versprechen uns ein bezahlbares Dach über dem Kopf. Der SPD-Bewerber Martin Körner verkündet auf Plakaten: "Wohnen wird Chefsache" – und hat wohl was verpasst: Wohnen in der Stadt ist seit Jahren Chefsache, weil sich der gemeine Untertan kaum noch die Miete für eine ordentliche Behausung leisten kann. Körner sieht als Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat die Lösung des Problems seit langem im fröhlichen Abreißen guter Bausubstanz zugunsten teurer Neubauten in den Cheflagen der Stadt. Folgerichtig hat er alle Mietendeckel-Forderungen von leicht links in Zusammenarbeit mit den neoliberalen Schwestern und Brüdern der führenden Parteien demokratisch ausgebremst.
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