Die Besetzer:innen erfuhren eine Welle an Solidarität, nicht nur in der Nachbarschaft. Beim Möbelschleppen halfen auch die Stadträte Thomas Adler (Linke), Hannes Rockenbauch (SÖS) und Luigi Pantisano (Linke), letzterer inzwischen im Bundestag. Weil sie eine Dreiviertelstunde im besetzten Haus waren, mussten sie insgesamt 2.400 Euro wegen Hausfriedensbruch zahlen. Deutlich teurer wurde es für die Besetzer:innen. Die wären eigentlich bereit gewesen, Miete zu zahlen, auch die Eigentümerfamilie signalisierte Gesprächsbereitschaft. Und beantragte dann doch die Zwangsräumung. "Wehret den Anfängen", kommentierte diese der Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) damals – rechtsfreie Räume, damit meinte er die Hausbesetzungen, dürfe es in Baden-Württemberg nicht geben.
Sieben Jahre Sanierung
Seit die ungebetenen Bewohner:innen im Mai 2018 mittels Polizei entfernt und auch regulären Mieter:innen gekündigt wurden, steht das Haus bis auf eine Wohnung im zweiten Stock leer. Deshalb sind wohl die Rollläden im Erdgeschoss heruntergelassen: Das Innenleben soll vor neugierigen Blicken von außen geschützt werden. Hinter dem einzigen Fenster, bei dem das Rollo nur halb heruntergelassen wurde, ist es dunkel. Auf dem Fenstersims steht eine Dose, die ausweislich der Farbkleckse am Rand und eines an der Seite heruntergelaufenen Tropfens weiße Wandfarbe beinhaltet.
Offenbar wurde also drinnen gestrichen. Das würde passen, denn laut den Eigentümer:innen stehen die Wohnungen leer, weil saniert wird. Seit sieben Jahren. Dabei wies der Laminatboden, auf dem die Besetzer:innen ihre Matratzen legten, damals schon keinen einzigen Kratzer auf. Auch sonst präsentierte sich die Wohnung in einem eigentlich bewohnbaren Zustand. Der Verdacht liegt nahe, dass es den Eigentümer:innen nicht darum ging, die Wohnungen so bald wie möglich auf dem Mietmarkt anzubieten.
Vor dem Verkauf wurde das Haus im Netz beworben mit der Möglichkeit, "von dem Ausbau- und Mietsteigerungspotenzial" profitieren zu können. "Miete wie auch die Rentabilität" ließen sich "durch geringe Modernisierungen" stark anheben. Damals konnten noch elf Prozent der Modernisierungskosten jährlich auf die Miete aufgeschlagen werden, seit 2019 nur noch acht Prozent.
Nun steht im Grundgesetz, dass Eigentum verpflichtet. Wohnungen aus Spekulationsgründen nicht auf dem Mietmarkt anzubieten, geht damit nicht konform. Seit 2016 gilt in Stuttgart die "Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum", nach der es untersagt ist, Wohnungen ohne triftigen Grund länger als ein halbes Jahr leer stehen zu lassen. Ein Verstoß kann die Stadt mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro ahnden. Nur Wohnungen, die "nachweislich zügig umgebaut, instandgesetzt oder modernisiert" werden oder "alsbald veräußert" werden sollen, sind von dieser Satzung ausgenommen.
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