Eine notwendige Bemerkung vorneweg: Kontext gehört keinem Konzern, Kontext wird von Menschen getragen, die anständig informiert sein wollen. Das gilt für die inneren und äußeren Belange ihrer Zeitung, und deshalb trägt die dringliche Veranstaltung den Titel: "Frontalangriff auf die Pressefreiheit – wir lassen uns nicht mundtot machen". Mit dabei ist diesmal das Bürgerprojekt die AnStifter, ein guter Partner in diesem Kampf.
Ausgangspunkt ist das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG), das uns untersagt, über Facebook-Chats eines Rechtsextremisten zu berichten, der 2018 für zwei damalige AfD-Landtagsabgeordnete in Stuttgart gearbeitet hat. Sieben Jahre haben wir vor diversen Gerichten um zwei Artikel gestritten. Zwei Gerichte haben uns Recht gegeben, das OLG sah die Sache nun anders.
Den Vorgang auf den Punkt gebracht hat der Journalist Alexander Roth. Dieses Urteil sei ein "Skandal", schreibt er in der "Waiblinger Kreiszeitung", und er sagt auch warum. Weil es den Informanten- und Quellenschutz in Frage stellt und damit an den "Grundfesten journalistischen Arbeitens" sägt. Seine Schlussfolgerung – "Warum Kontext für uns alle kämpft" – macht deutlich, dass es hier um mehr geht als um einen Rechtsstreit zwischen der Kontext:Wochenzeitung und einem Ex-Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten.
Es geht um ein Gericht, das verlangt, Daten von Whistleblowern preiszugeben, es geht ums "Plattmachen" eines Mediums, das Antidemokraten ein Dorn im Auge ist, und um die Pressefreiheit, die von Rechtsextremen angegriffen wird. Roth will jene Ecken der Realität mit der Taschenlampe ausleuchten, "die sonst im Dunkeln geblieben wären", schreibt er. Das sei die "Kernaufgabe" des Journalismus. Zusammen mit seinem Kollegen Peter Schwarz setzt er diesen Anspruch im braunen Remstal unermüdlich um und zeigt, wie Lokaljournalismus auch sein kann. Einer, der sich was traut.
Zivilcourage gehört zum journalistischen Repertoire
Das Sich-Trauen ist etwas ganz Wesentliches. Einmal abgesehen davon, dass Wegducken langweilig ist, gehört Zivilcourage als genuin demokratische Verhaltensweise auch zum journalistischen Repertoire. Das umfasst ein klares Nein zur Intoleranz gegenüber der Verletzung von Grundwerten, zu denen wir Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zählen.
Selbstverständlich mussten die widerlichen Chatprotokolle des Neonazis an die Öffentlichkeit, wir müssen doch wissen, wes Geistes Kind die sind, die für die AfD arbeiten. Für eine rechtsextreme Partei, die im Bundestag sitzt und fast in allen Landtagen. An den Urheber dieser Scheußlichkeiten nun 25.000 Euro Schadenersatz zahlen zu müssen, wie es das OLG Frankfurt will, erzeugt Brechreiz. Aber es ist auszuhalten, wenn sich Günter Wallraff mit "solidarischen Grüßen" bei uns meldet und sagt: "So wird nicht der, der hetzt, sondern der, der aufdeckt, verurteilt".
82 Jahre alt ist er, die Undercover-Legende, die Hans Esser bei "Bild" war, Gastarbeiter Ali bei Thyssen und Pförtner im Gerling-Konzern. Wallraff weiß, was es heißt, verdoppelte Streitwerte (bei Kontext sind's jetzt 480.000 Euro), immensen Schadenersatz ertragen zu müssen, immer mit dem Risiko, am Ende "mundtot" zu sein. Jung ist er noch immer, weil ihm im Großen wie im Kleinen gilt: "Öffentlichkeit ist der Sauerstoff der Demokratie."
Wir haben Grund zur Annahme, dass die Kontext-Community genauso tickt. Anders sind der überwältigende Spendenfluss und Zuspruch ("Bleibt stark!") nicht zu erklären. Tausend Dank dafür. Das Thema treibt sie um und an, die Leserinnen und Leser, die Redaktion und den Vorstand, woraus eine gemeinsame Kraft entsteht, die stark macht. Oder "Freude wie Schnitzel", wie in der Ausgabe 732 berichtet wird.
Teil dieser Gemütslage ist auch Ulrike Winkelmann. Die Chefredakteurin der taz, die sich ebenfalls mit AfD-Prozessen herumplagt, ist und bleibt "froh und stolz", Kontext in ihrer "Wochentaz" zu haben. Zwecks Erweiterung des Horizonts, wie sie sagt, wohl auch durch das Begleiten im Kampf gegen rechts, das die Redaktionen verbindet. Das tut gut. Und so verstehen wir ihre Hoffnung, dass Kontext "sich weiter wehrt", als Auftrag einer großen Schwester, den Wunsch, "tausendmal Erfolg" zu haben, als Ansporn, der Justiz zu zeigen, wo's zur Wahrheitsfindung geht.
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