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Eine Millionenerbin will besteuert werden

"Über Geld muss man sprechen"

Eine Millionenerbin will besteuert werden: "Über Geld muss man sprechen"
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Sie hat in der Geburtslotterie gewonnen. Stefanie Bremer ist eine von vielen Erb:innen im Land, die in Deutschland kaum Steuern zahlen müssen. Die junge Frau will das ändern. Über den Versuch, die Welt gerechter und besser zu machen.

Wir treffen uns im Andreashof bei Salem, einem Hof, der nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft arbeitet. Dort holt Stefanie Bremer - Jeans, Parka, ungeschminkt - jeden Freitag ihr Abonnement an Gemüse. Im richtigen Leben heißt die Millionenerbin anders. Der Alias-Namen ist der einzige Schutz, den sie zwischen ihr Geld und die Begehrlichkeiten der anderen schiebt. Aber vor allem dient er der Rücksicht auf ihre Familie, die auch kein Thema sein soll in diesem Gespräch. Sie freut sich über den Grünkohl, den sie in ihre Tasche packt. "Für meinen Mann", sagt die 34-Jährige, "der mag Grünkohl mit Pinkel." Die Taschen sind gefüllt, der Kräutertee im angrenzenden Café bestellt, es kann losgehen.

Frau Bremer, Sie waren in Davos beim Weltwirtschaftsforum im Januar. Fühlten Sie sich dort als Millionenerbin in guter Gesellschaft?

Da muss man hin, wenn man wie ich für eine gerechte Besteuerung der Reichen kämpft. Ich war in Davos mit einer Gruppe von taxmenow und wir haben dort mit einem großen Schild "Tax the rich" für mehr Steuergerechtigkeit demonstriert. Denn es kann nicht sein, dass wenige Menschen aus Politik und Wirtschaft in Davos Entscheidungen diskutieren, ohne Beteiligung der Betroffenen. Das ist hochgradig undemokratisch. Und das sieht man auch vor Ort.

Sie sehen vor allem Sicherheitskräfte, die die Veranstaltung schützen.

Unfassbar viele Sicherheitskräfte, ja. Und ich sah einen Ort, in dem die Bewohner:innen fast vollständig rausgedrängt wurden, damit sich die Reichen und Mächtigen die Klinke in die Hand geben können. Die meisten Läden waren an Firmen vermietet für diese Woche, die Wohnhäuser auch. Doch ein Bistro versorgte all die anderen mit den unfassbar großen Mengen an Nahrungsmitteln, die täglich von der Tafel der Mächtigen abfielen. Davos ist in dieser Woche ein ausgeräumter Ort, an dem Google etwa das angemietete Hotel in seinen Farben gestaltet bis hin zu den Skiern in den Googlefarben. Kapital darf nicht unser Gott sein. Ganz schlimm fand ich eine süße kleine Dorfkirche, deren Außenflächen komplett mit Werbebannern einer Kryptowährungsfirma gepflastert waren.

Deutlicher könnte wohl nicht illustriert werden, dass Geld zur Ersatzreligion wird. Hat Sie das bestärkt in Ihrem Bestreben, die Reichen mehr zur Kasse zu bitten?

Ja. Dazu kommt: Wissenschaftler:innen sind sich einig, dass der Klimawandel eines unserer drängendsten Probleme ist. In Davos hat jeder zweite Pavillon entlang der Straße suggeriert, dass wir mit dieser Technologie oder mit jenem klugen Assistenten alle nachhaltig werden. Nein, Technik rettet uns nicht, wir können nicht weiterleben wie bisher. Vor allem vermögende Menschen nicht. Denn die haben einen unglaublich höheren ökologischen Fußabdruck als der Rest der Menschheit. Und das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen Geld, um die Welt besser zu machen. Und mit den Steuereinnahmen auf Erbe und Schenkungen können wir etwa eine bessere Umwelt, eine bessere Gesundheits- und Bildungsversorgung in Angriff nehmen. Und dafür einen Beitrag zu leisten, finde ich mehr als in Ordnung.

Ihre österreichische Mitstreiterin und Millionenerbin Marlene Engelhorn hat im Januar 25 Millionen aus ihrem Erbe an einen Rat von 50 Menschen übergeben, der über die Verwendung des Geldes entscheidet, das der Staat nicht will.

Ja, knallhart nach dem Motto: Wenn der Staat uns das Geld nicht abnimmt, dann schaffen wir selbst demokratische Formen, um es umzuverteilen. Und zwar so, dass die Macht nicht bei uns liegt. Denn wir wollen keine Almosen vergeben. Wir wollen nicht, dass ein paar Reiche nach Gutdünken über ihr Geld verfügen, je nachdem, was gerade ihr Steckenpferd ist. Wir leben in einer Demokratie und ich habe Vertrauen in diesen Staat. Der soll uns Reiche besteuern, damit das Geld allen zugute kommt.

Aber der Staat will Ihr Geld offensichtlich nicht. Haben Sie auch daran gedacht, einen Teil Ihres Vermögens wie Engelhorn wegzugeben?

Ich habe keine 25 Millionen abzugeben, mein Vermögen steckt im Unternehmen. Aber ich finde das eine superspannende Möglichkeit, das Geld umzuverteilen. Denn es setzt den Gedanken der Demokratie transparent um.

Ich würde das Geld etwa in den gemeinnützigen Journalismus stecken, den wir in Zeiten des Erstarkens der AfD dringender denn je brauchen, was die Enthüllungen von Correctiv zum Geheimplan Rechtsextremer deutlich gezeigt haben. Ihnen liegt der Klimaschutz am Herzen. Sie könnten Ihr Geld doch in entsprechende Projekte stecken?

Ich bin überzeugt davon, dass ich als Einzelperson nie alles wissen kann, was es zu wissen gilt. Es wäre fahrlässig, ein Projekt zu unterstützen, wenn man nicht möglichst viele Meinungen gehört hat. Ich würde immer die Menschen befragen, die Ahnung haben, und die Betroffenen, was sie brauchen. Und wenn die sagen, wir brauchen dringender eine kostenlose Gesundheitsvorsorge, dann ist das womöglich etwas, wo das Geld besser eingesetzt ist. Das ist Ehrlichkeit gegenüber meinen Fähigkeiten, Respekt vor den Erfahrungen anderer Menschen und ein bisschen Demut. Und das Wissen, dass ich für das Geld, das ich habe, nicht gearbeitet habe.

Zur Person

Vor der letzten Bundestagswahl hat die Millionenerbin die NGO taxmenow mitgegründet. Seitdem ist Stefanie Bremer unermüdlich unterwegs, um für die gemeinsame Idee der zahlungswilligen Reichen zu werben: Besteuert uns endlich. Rund ein Dutzend Veranstaltungen hat sie im vergangenen Jahr bestritten, sie diskutierte über Steuergerechtigkeit an den Universitäten in Main, in Bayreuth, in Berlin. In ihrem echten Leben heißt Bremer anders und arbeitet als Beraterin in Sachen Nachhaltigkeit. Privat befürwortet sie ein bedingungsloses Grundeinkommen. "Doch bei taxmenow machen wir keine Vorschläge, wie man das Geld ausgeben soll", sagt sie, "wir finden, das gehört in einen demokratischen Prozess."  (sus)

Wir leben im Jahrzehnt der Super-Erben. Laut einer Studie der Böcklerstiftung werden in den Jahren 2017 bis 2027 jährlich bis zu 400 Milliarden Euro vererbt. Und das sind nur ungefähre Zahlen, denn 1996 wurde die Vermögenssteuer ausgesetzt. Andere Schätzungen gehen von bis zu 600 Milliarden jährlich aus. Die Schere zwischen Reichen und Armen geht immer weiter auseinander, das hat auch der diesjährige Oxfam-Bericht einmal mehr deutlich gemacht. 1,1 Prozent der Weltbevölkerung besitzen rund 45,8 Prozent des weltweiten Vermögens. Erben ohne Besteuerung verschärft diese Ungleichheit. Deshalb fordert taxmenow, die Vermögenssteuer einzuführen, die Ausnahmen im Erbschafts- und Schenkungsrecht abzuschaffen, eine einmalige Vermögensabgabe wegen Corona einzuführen und die Finanzbehörden besser auszustatten. "Das ist nur gerecht", sagt Stefanie Bremer, "und wir Vermögenden können das fordern, ohne dass uns eine Neiddebatte unterstellt wird."

Frau Bremer, Sie sind neben Marlene Engelhorn das Gesicht der Erben, die ihr Geld loswerden wollen. Nicht alle mögen ihr Gesicht zeigen, identifizierbar sein.

Ich habe keine Angst vor Entführung. Als Erwachsene habe ich beschlossen, dass ich mich nicht von Angst beherrschen lassen will. Und ich werde nicht aufhören, mich für meine Überzeugungen einzusetzen aus Angst, dass es jemanden missfällt oder jemand mir schaden will. Ich setze mich ja dafür ein, dass das Geld allen zugutekommt. Und ich habe die naive Hoffnung, dass das Menschen überzeugt und mich weniger angreifbar macht. Ich versuche, als guter Mensch zu handeln nach dem Ghandi-Motto: Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.

Das klingt wie eine Mission. Sind Sie religiös, Frau Bremer?

Nein, ich bin Humanistin und glaube an die Menschen.

Wann haben Sie angefangen, Ihr Erbe zum Thema zu machen?

Als ich einsam wurde. Wenn man sich eine Schutzmauer aufbaut, um sich zu schützen: vor Heuchelei, falschen Freunden, Entführung. Ich war lange Zeit einsam, als ich noch im Kopf hatte, dass man über Geld nicht spricht. Aber über Geld muss man sprechen. Denn irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich mit niemanden mehr geredet habe. Das war im Studium, ich war auf keinen Feiern, keinen Veranstaltungen, nicht auf WG-Parties. Dann habe ich aufgehört, nichts zu sagen und das Thema Geld auch ins Gespräch miteinfließen lassen. Und siehe da, es hat nicht wehgetan und niemand hat mich ausgestoßen.

Sie waren mit 18 Jahren das jüngste Mitglied der Bewegungsstiftung. Trieb Sie das schlechte Gewissen an?

Das hat sich gelegt in Gesprächen mit den Aktivist:innen und reichen Erben, die in dieser Stiftung zusammengeschlossen sind. Ich stellte mir die Frage, wie kann ich bei so vielen Problemen in der Welt mit meinem Geld zur Lösung beitragen? Damit war ich überfordert. Aber genau das Gespräch mit diesen Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Erfahrungen war unfassbar hilfreich – und ist es nach wie vor. Die haben mich ermutigt, innerhalb meiner Möglichkeiten tätig zu werden. Denn nichts ist so schlimm, wie nichts zu tun.

Taxmenow hat sich 2021 aus der Bewegungsstiftung gegründet. Diese war 2002 im Umfeld der Globalisierungskritiker mit anfangs neun Gründungsstiftern entstanden. Heute hat sie über 200 Stifter, zu denen auch Stefanie Bremer gehört. Die Stiftung tritt an, für soziale und ökologische Gerechtigkeit zu streiten und Protestbewegungen zu unterstützen. Dazu gehören etwa Campact, terres des femmes oder LobbyControl. Die Streiterin für Steuergerechtigkeit traf dort auch auf Co-Stifter Frank Hansen aus Hohenlohe, der sich mit der Stiftung Bridge für Meinungsfreiheit, gegen Überwachung und für den freien Zugang zu Wissen einsetzt. Doch für Stefanie Bremer sind nicht Stiftungen der Weg aus der Ungleichheit, sondern eine gerechte Besteuerung der Reichen. "Stiftungen sind oft Steuersparmodelle für Reiche", sagt Bremer, "und meist entscheiden alte weiße Männer, welches Problem in dieser Gesellschaft zu lösen ist." Sie besteht darauf: Erb:innen und Vermögende müssen besteuert werden. (Siehe auch "Siller fragt: Stefanie Bremer".)

Frau Bremer, Sie kommen bei Ihrem Einsatz für Steuergerechtigkeit mit vielen Menschen, Politiker:innen, Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen zusammen. Gibt es jemanden, der Ihnen besonders imponiert hat?

Ich habe vor der letzten Bundestagswahl Janine Wissler erlebt in einer Diskussionsrunde. Sie war die einzige, die nicht nur für ihre politischen Ziele geworben hat. Sie hat auch gesagt, wenn wir unsere Träume äußern, dann müssen wir auch darüber reden, wie wir sie finanzieren, wo eingespart werden muss. Das war eine schöne Art von Transparenz, Ehrlichkeit und Augenhöhe mit ihren Wähler:innen.

Wählt die Millionenerbin etwa links?

Frau Stiefel, wir haben allgemeine, freie und geheime Wahlen.

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