Die Probleme der Höllentalbahn im Schwarzwald sind dagegen weniger leicht zu lösen. Von den 26 Zügen des Herstellers Alstom waren oft nur 16 oder weniger verfügbar. Nach einem Drittel der angegebenen Zeit machten die Radsätze schlapp. Aber den Werkstätten fehlten die Ersatzteile. So ist es landesweit, erklärt Lieb: 20 Prozent der Fahrzeuge fahren nicht, weil die Werkstätten überlastet sind, weil die Ersatzteile zwischen sechs und 18 Monaten Lieferzeit haben und weil das Personal fehlt.
Natürlich steht in den Verkehrsverträgen, dass die Betreiber ihre Fahrzeuge in Schuss halten müssen, einschließlich Toiletten und Türen. Doch zumeist sind Subunternehmen beauftragt, die wiederum an den Werkstätten der Deutschen Bahn Schlange stehen. In der Ausschreibung für 130 neue Doppelstock-Triebwagen ist daher vorgesehen, dass die Hersteller selber die Wartung übernehmen. Das könnte sich als wegweisender Ansatz erweisen, denn dann gibt es klare Zuständigkeiten und keine Ketten von Abhängigkeiten.
Kürzungen im öffentlichen Verkehr
Liebs Aufgabe ist es, sich die Stellen, wo Probleme auftreten, anzuschauen – auch vor Ort –, um im Dialog mit den Fahrgästen Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Bereits seit 2012 gibt es den Fahrgastbeirat, dem Lieb bis Herbst 2023 vorstand und an dem sich neben Verbänden auch interessierte Bürger:innen beteiligen können. Jede:r kann überdies online Wünsche und Verbesserungsvorschläge zum nächsten Fahrplan einbringen: für den Fahrplan 2025 noch bis zum 15. Februar.
Künftig könnten Fahrtzeiten verlängert werden oder einzelne Halte entfallen, damit Anschlüsse sicher erreicht werden. Der Bund, so Lieb, plane in der Regel ein betriebswirtschaftlich optimiertes Konzept. Doch den Fahrgästen nützt es wenig, wenn sie in der Theorie drei Minuten zum Umsteigen haben, in der Praxis ihr Zug aber dauernd fünf Minuten Verspätung hat.
Zudem hat der Bund, der eigentlich für den Bahnausbau zuständig ist, nun die Mittel gekürzt. Ist es so, wie die "Wirtschaftswoche" schreibt, dass die Bahn alle Neubaupläne streicht, weil der verbleibende Etat nur für die Instandhaltung reicht? "Eigentlich müsste man beides machen", bemerkt Lieb. Es bestehe ein enormer Sanierungsstau. Wenn nun weniger Geld für den Ausbau da ist, sei mit dem Deutschlandtakt, einem bundesweit abgestimmten integralen Taktfahrplan, nicht vor 2070 zu rechnen.
Obwohl Deutschland das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens bereits verfehlt hat, baut die Bundesregierung weiter Autobahnen und kürzt beim öffentlichen Verkehr. Die FDP führt die anderen Koalitionspartner am Nasenring durch die Manege. Das Land kann nur versuchen, über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz kleinere Vorhaben voranzutreiben, erklärt Lieb. Da müssten sich jedoch auch die Kommunen beteiligen, die das – wie aktuell am Bodensee – nicht immer können oder wollen.
Ist auch der Pfaffensteigtunnel, der die Gäubahn an den neuen Stuttgarter Tiefbahnhof anbinden soll, von den Kürzungen betroffen? Die Bahn hat dementiert. Aber sie rechnet derzeit noch mit Kosten von einer Milliarde. Der gut vergleichbare Tunnel Offenburg im Rheintal, so Lieb, sei aktuell bei 3,8 Milliarden angekommen. "Niemand sagt, dass der Pfaffensteigtunnel nicht gebaut wird", bemerkt der Qualitätsanwalt. "Aber ein Datum will auch keiner nennen." Es ist wohl wie in Italien: Es funktioniert alles, sagen Spötter dort, man weiß nur nicht wann.
Gericke hat im Bürgerdialog einige "externe Faktoren" genannt, die den Regionalverkehr behindern. An erster Stelle: der Bahnknoten Stuttgart mit der S21-Baustelle, an zweiter die Gäubahn und an dritter die Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn. An all dem wird sich bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nichts ändern. Aber wird es danach besser? Lieb bleibt freundlich: "Es kann schon sein, dass der Bahnhof, wenn alles gut läuft, in den ersten paar Jahren funktioniert."
Die Schweiz macht es besser
Ins Hintertreffen gerät auch Hermanns Mobilitätsgarantie. Eigentlich hatte der Verkehrsminister versprochen, im ganzen Land wäre bis 2026 jeder Ort wenigstens in der Hauptverkehrszeit im Halbstundentakt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, in den Ballungsräumen im Viertelstundentakt. Das steht so auch im Koalitionsvertrag der Landesregierung. Doch vor 2030 ist nun nicht mehr damit zu rechnen. Es fehlt an Lokführer:innen und Busfahrer:innen, aber auch an Geld für Fahrzeuge und die nötige Infrastruktur.
Die NVBW prüft ständig und systematisch die Qualität des Schienenverkehrs in Baden-Württemberg und die Ergebnisse gehen in ein Qualitätsranking ein. Auf Platz eins, drei und sieben von 32 Netzen lagen beim letzten Mal drei Strecken an der Südgrenze des Landes, die von der Schweizer Bundesbahn betrieben werden. Schlusslicht war dagegen das Neckartal von Tübingen bis Mannheim, Karlsruhe und Osterburken. Insbesondere die Pünktlichkeit lässt hier schwer zu wünschen übrig.
Was macht die Schweiz besser? 92,5 Prozent aller Züge haben dort weniger als drei Minuten Verspätung, 99 Prozent aller Anschlüsse werden erreicht. In Deutschland, erklärt Lieb, wird verspäteten Fernverkehrszügen – also jedem dritten – Priorität eingeräumt. Sie bremsen damit auch den Regionalverkehr aus. In der Schweiz funktioniert der Taktfahrplan. Wenn in seltenen Fällen ein Zug doch einmal verspätet ist, muss er warten, bis die Strecke frei ist. Österreich investiert dreimal, die Schweiz viermal so viel pro Kopf in die Eisenbahn wie Deutschland.
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