Wäre das Leben ein Ponyhof, würden wir wie in alten Zeiten hoch zu Ross von A nach B gelangen. Doch weil das Leben eben kein Ponyhof ist, muss man sich anderer Fortbewegungsmittel bedienen, wenn man a) kein Pony hat, b) kein großer Bahn-Enthusiast und c) zu arm oder zu umweltbewusst für ein eigenes Auto ist. Und tatsächlich wäre diese Situation ziemlich ausweglos, gäbe es nicht die gute alte Mitfahrgelegenheit (Mfg). Die gibt es schon mindestens so lange wie das Auto selbst. Nur nennt man sie heute: Blablacar.
Eines gleich vorweg: Ich bin ein Riesenfan von Blablacar. Ist vielleicht naiv in einer Welt mit sehr vielen bösen Menschen. Ist mir aber ziemlich egal, denn wer 425 Kilometer, fünfeinhalb Autostunden und zwei Staatsgrenzen entfernt vom jetzigen Arbeitsplatz aufgewachsen ist und Familie hat, darf auch mal naiv sein. Und im Bahn-Talk hieße das Ganze: fünf Züge, ein Bus, sechs Mal umsteigen, je nach Verbindung zwischen acht und 18 Stunden Fahrt, Verspätungen nicht eingerechnet.
Rufen die Südtiroler Berge oder irgendwelche Feiertage (oder das unbeschreiblich köstliche Essen meiner Mutter), öffne ich kurzerhand die Blablacar-App, gebe Datum und Strecke ein und tadaa: drei Treffer. Abholort und -zeit, Menge an Gepäck, vierbeinige Begleiter oder besondere Wünsche kann man direkt über den Chat der App vereinbaren. Et voilà, wenige Zeit später und zwischen 15 und 35 Euro ärmer – je nachdem wie gut es der Blablacar-Algorithmus an dem Tag mit mir meint – steht die Reise. Ich freuꞌ mich, mein Geldbeutel auch.
Und ja, ich geb's zu: Eigentlich ist es schon absurd. Dann sitzt man da zu viert auf knapp vier Quadratmetern engstem Raum. Hat man Pech und der oder die Fahrer:in Interesse, an der Fahrt etwas zu verdienen, ist auch der mittlere Platz hinten besetzt. (Meinem größten Feind wünsche ich nicht, dort sitzen zu müssen.) Dann hockt man da mit wildfremden Menschen, die Namen während des Aussprechens bereits vergessen, mit allen erdenklichen Altersgruppen, sozialen Klassen, kulturellen Hintergründen und Lebensgeschichten. Man weiß nichts über diese Leute. Sitzt neben mir ein Serienmörder? Oder ein Nazi? Eine Guinness-Weltrekord-Trägerin? Ein längst vergessener Teenie-Star? Ist die Fahrerin vorbestraft? Keine Ahnung.
Ein Thema geht immer: die Deutsche Bahn
Blablacar-Fahren bedarf tatsächlich eines gewissen Fingerspitzengefühls im Umgang mit den Mitfahrenden. Meine ganz persönlichen Basistipps: nicht über Politik reden, keine zu persönlichen Fragen über Familie und Gesundheit stellen, keine Krümel-produzierenden Speisen, kein Knoblauch, nicht schmatzen. Und für den Fall, dass einem die Smalltalk-Themen ausgehen: Die Deutsche Bahn geht immer. Glauben Sie mir, wenn ich eines von meinen zahlreichen Blablacar-Fahrten gelernt habe, dann das: Egal wie unterschiedlich die Mitfahrenden sind, eine kollektive Grundabneigung gegen die Deutsche Bahn verspüren wir doch alle in unserem tiefsten Inneren.
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