Rund 30 Mädchen und Jungs kämen laut der Sozialarbeiterin regelmäßig in den Jugendtreff, alle mit Migrationshintergrund. "Alle Altbacher Jugendlichen erreichen wir natürlich nicht," sagt Kugler. "Aber die, die kommen, brauchen diesen Treff und die Vereine."
Dass es wenig hilfreich ist, wenn diese Strukturen weggespart werden, ist in Schweden zu beobachten. Dort werden aktuell mehr als 60 "vulnerable Gebiete" ausgewiesen, sozial benachteiligte Stadtteile, in denen die Kriminalität, auch durch junge männliche Banden, besonders hoch ist.
Träger des Jugendhauses ist der Kreisjugendring (KJR) Esslingen. Dessen Sozialarbeiter:innen ist vor einigen Monaten aufgefallen, dass Gewalt zunimmt, vor allem gebe es mehr Prügeleien. Nicht in den Jugendhäusern, aber an Bahnhöfen, sagt Ralph Rieck, Geschäftsführer des KJR. Hotspots seien Wendlingen, Nürtingen, auch Plochingen wäre schwierig. Das bedeute nicht, dass es sich um Wendlinger, Nürtinger oder Plochinger Jugendliche handle. "Die sind ja sehr mobil", sagt Rieck und erinnert an die sogenannte Stuttgarter Krawallnacht, bei der sich herausstellte, dass 70 Prozent keine Stuttgarter:innen waren.
Die Polizei weiß wenig
In Plochingen, gleich gegenüber dem Bahnhof, liegt das "Medellin", eine Shisha-Bar. In der Nacht auf den 2. April verfolgten sich auf der Straße davor offenbar rivalisierende Bandenmitglieder. Aus einem Auto heraus wurde geschossen, der Wirt verletzt. Der etwa 50-Jährige, mächtig wirkende Mann sitzt an diesem späten Nachmittag fast alleine in seiner Bar, die Wasserpfeife in der linken. Ihm gehe es wieder gut, sagt er. Er sei halt zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Die hätten seine Scheibe getroffen und da habe er etwas abbekommen. Nein, von rivalisierenden Gruppen wisse er nichts. Allerdings findet er, "dass die Polizei sich hier ruhig öfter blicken lassen könnte". Das Revier in Plochingen macht allerdings um 20 Uhr Feierabend.
Wer dort arbeitet, gehört zum Polizeipräsidium (PP) Reutlingen. Das ermittelt derzeit auf Hochtouren, genauso wie das PP Stuttgart und das PP Ulm, das Landeskriminalamt koordiniert. Nach Schüssen in Asperg in der Nacht zum 8. April, die einen 18-Jährigen töteten, gab es zahlreiche Razzien in Stuttgart, in den Kreisen Esslingen, Göppingen und Ludwigsburg sowie in Ulm, relativ schnell wurden fünf Tatverdächtige festgenommen – fast alle waren polizeibekannt. Es habe sich um einen "lokalen Konflikt" gehandelt, hieß es da noch von der Polizei. Ende Mai erklärten LKA und Staatsanwaltschaft, die Schussserie sei erst mal gestoppt.
Strobl weiß mehr als die Ermittler
Dann passierte das Handgranaten-Attentat in Altbach. Der Ablauf ist bekannt: Ein 24-jähriger Iraner warf die Granate, ein größerer Trupp der Trauergäste setzte dem mutmaßlichen Attentäter nach und prügelte ihn krankenhausreif. Die Polizei hatte über die sozialen Medien mitbekommen, dass in Altbach eine ganze Reihe ihr wohlbekannter Männer zusammenkommen würde, ein Polizist war deswegen am Friedhof, eine weitere Handvoll wartete am Rande des Dorfes. Eingestellt waren die Beamt:innen auf Beobachtung, nicht auf Gewalt.
1 Kommentar verfügbar
Veteran
am 05.07.2023