Verantwortliche von Stadt und Polizei waren vor den Innenausschuss des Landtags geladen worden. Keiner konnte plausibel erklären, warum nicht wenigstens versucht wurde, die Veranstaltung zu verbieten. Mehr als drei Stunden nahmen sich die ParlamentarierInnen Zeit. Nicht nur Sozialdemokraten, auch Grüne fragen derart scharf nach, dass Letztere in der TV-Berichterstattung fälschlicherweise der Kategorie "Opposition" zugeordnet werden. Wie heikel die CDU die Lage einschätzt, lässt Innenminister Thomas Strobl erkennen. Der schwänzte schon wichtige Sitzungen oder Anhörungen im Landtag und ließ sich vertreten, etwa zu den umstrittenen Novellen des Polizeigesetzes. Am Montag hingegen war sein Haus prominent präsent, mit Minister, dem scheidenden Staatssekretär Wilfried Klenk und Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz. Zur Erhellung der Vorgeschichte und der Entscheidungsfindung vor dem Durchwinken der umstrittenen Demos wollen sie allerdings Neues kaum beitragen. Und der OB paraphrasiert mit Verve, was ohnehin seit einer Woche auf der Internet-Seite der Stadt zu lesen ist. Die Losung bleibt immer die Gleiche: "Wir haben nichts falsch gemacht."
Die nackten Zahlen sprechen eine andere Sprache, denn angemeldet waren von "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg 2.500 Teilnehmer an mehreren Orten und zur Abschlusskundgebung am Cannstatter Wasen. Dort allerdings kamen tatsächlich 15.000 Menschen zusammen, und am Marienplatz, wo es 300 sein sollten, wurden circa 5.000 geschätzt. Er könne nicht verstehen, so der frühere FDP-Justizminister Ulrich Goll lakonisch, warum die Veranstaltungen durch Auflagen nicht so organisiert worden seien, dass "die Polizei eingreifen, Teile der Demonstration auseinandertreiben und damit in überschaubaren Verhältnissen halten kann".
Fragen über Fragen und wenig Interesse der Gäste, Licht ins Dunkel zu bringen, zu den Entscheidungsgrundlagen, etwa in welcher Zusammensetzung beraten, wie die Bedeutung des Infektionsschutzgesetzes bewertet wurde oder was eigentlich konkret mit dem schriftlichen Hinweis zu den Verbotsmöglichkeiten aus dem Sozialministerium geschehen ist. Nopper stellt sich vielmehr als jemand dar, der an einer Aufarbeitung gar nicht interessiert ist – nach seiner und Henry Fords Devise "Suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen". Wenn das wirklich die neue Maxime des Handelns im Rathaus ist, wird die Stadt noch so manches blaue Wunder erleben dürfen.
Sechs Wochen ohne Erkenntnisse
Richtig jedenfalls war Henry Fords platter Spruch noch nie, vermutlich ist er dem Nachfolger von Fritz Kuhn auch deshalb nach der Krawallnacht im Juni 2020 nicht über die Lippen gekommen. Jetzt aber, da Stuttgart es seit Tagen und sogar nach der Innenausschuss-Sitzung in die Prime-Time-Nachrichten schafft, soll eine genauere Analyse der Vorkommnisse plötzlich nicht mehr relevant sein. Dabei müsste sie sogar noch länger als bisher vermutet zurückreichen. Denn eines der wenigen neuen Details, die im Landtag offenbart wurden, ist, dass die Pläne der Corona-LeugnerInnen für ein Treffen am Karsamstag in Stuttgart schon seit dem 18. Februar bekannt waren.
19 Kommentare verfügbar
tomas zerolo
am 19.04.2021Aha, Herr Höfler. Und wie sehen für Sie "nicht normale" Menschen aus? Nafris? Schwarz gekleidete?
Da sieht man, wie ich meine, eine scharfe Kante eines strukturellen Problems rausgucken.