Unverfroren, wunderbar abgefeimt: Zum mannigfach mit Infotainment-Features bedachten "Tübinger Weg" inmitten des ihn säumenden Covid-Seuchen-Grauses hat die Stadt Tübingen einen herrlich korrupten Videoclip durch ihren Youtube-Kanal fließen lassen. Fabriziert von Reklamespezialisten, die ihrer ansonsten vor allem für Textilien aller Art tätigen Firma den schon in sich dubiosen, gaunerischen Beinamen geben: "Agentur für authentische Werbung". Das Opus prangt mit dem Songtitel "Unser Leben ist jetzt und hier", was als Losung entweder trivial ist oder als Lebensmaxime betrachtet eher der Lebensform Amöbe als dem Homo sapiens zuzuordnen wäre.
Aber zuvor zum Hintergrund: Was der "Tübinger Weg" sei, davon hat sich in den vergangenen Wochen jeder Medienrezipient wenigstens vage Kenntnis verschaffen können. Nichts mit den üblichen, prestigeträchtigen Verdächtigen Hölderlin oder Hegel diesmal, auch nicht mit den Dioskuren Walter Jens und dem jüngst gestorbenen Theologen Hans Küng. Obgleich Letztere über Jahrzehnte oft von sich reden machten und das Meinungsklima der Bundesrepublik nicht durchweg ungünstig beeinflussten. Für den in ihrem Namen kolportierten PR-Schmäh und das begleitende Medien-Gesummse waren sie nicht immer voll verantwortlich; manchmal schon.
Menschenrecht auf fesches Shopping
Nun glänzt ein neues Dioskuren-Paar, Federle und Palmer. Denn mit der, wer hätt’s gedacht, Pandemie ist das Markenzeichen "Tübinger Weg" heuer verknüpft. Für Nicht-Virologen: Die Universitätsstadt implementierte ein Modellprojekt – innovativ send mr und kreativ eh –, um trotz der Covid-Seuche so viel kommodes Treiben wie möglich zu erlauben, also das Menschenrecht auf fesches Shopping und draußen im Sitzen lecker Cappuccino Schlürfen wieder herzustellen. Im Clip zeigt der Tübinger Oberbürgermeister höchstselbst eine Gebots-Tafel, auf der in großen Lettern der Imperativ steht: "Erst testen dann shoppen". Jawohl, shoppen. Das ist Pflicht. Aber erst testen.
9 Kommentare verfügbar
Frodo
am 18.04.2021So ernst, dass keinesfalls über Ironie gelacht werden darf, wenn Tübinger Foristen in der Nähe sind. Denn sie könnten sich angegriffen fühlen.
Und jetzt ernst bleiben, testen und shoppen gehen, damit OB Palmer in 'Bild' gut rüberkommt.
Lisa…