Breymaier: Das Durchschnittsalter von Jungs, die Hardcorepornos konsumieren, liegt bei zwölf Jahren. Damit werden Frauenbilder produziert. Und wenn die Mädchen sagen, wir wollen keinen Analverkehr, dann gehen Männer ins nächste Bordell. Und der deutsche Feminismus erzählt diese gequirlte Scheiße von der selbstbestimmten Hure.
Ohme-Reinicke: Diese Männer sehen sich als Arbeitgeber. Nach dem Motto: Sonst hätten die armen Frauen ja gar nichts. Das ist zynisch. Und damit sind wir wieder bei der Ausbeutung.
Wolz: Ein Freund von mir, mit dem ich lange zusammengewohnt habe, hat keine Arme, ist 45 Jahre alt und hat mit 35 gedacht, vielleicht kann ich auch ein Erlebnis mit Sexualität haben, und ist zu einer Sexarbeiterin gegangen. Ich glaube, dass wir differenzieren müssen. Es gibt Sexarbeiterinnen, die sich organisieren. Und aus feministischer Sicht ist es wichtig, diese Kämpfe zu unterstützen, damit es dort bessere Arbeitsbedingungen geben kann.
Breymaier: In anderen Ländern sind es die Feministinnen, die eine andere Gesetzgebung ermöglicht haben. Und wir singen hier das hohe Lied der selbstbestimmten Sexarbeiterin. Es sind doch mindestens 90 Prozent der Frauen, die anders arbeiten. Wir brauchen eine andere Haltung. Ich finde das Beispiel des Menschen ohne Arme zynisch. Damit unterstelle ich pauschal, dass Menschen mit Behinderung nicht in der Lage sind, eine erfüllende Beziehung einzugehen. Das ist nicht in Ordnung, und dieser Blick ist in hohem Maße frauenfeindlich. Wirkliche Gleichberechtigung in diesem Bereich werden wir erst dann haben, wenn die Frau ohne Arme dann auch einen Mann findet, der ihr die Möse leckt.
Wir reden hier von einer Mehrheit von 90 Prozent Prostituierten, die in Abhängigkeit arbeiten, und wenigen Prozent selbstorganisierter Sexarbeiterinnen. Muss sich also die selbstbestimmte Domina oder die Studentin, die durch Talkshows tingelt, einen neuen Job suchen?
Wolf: Wenn wir ein Sexkaufverbot nach dem nordischen Modell haben, dann produzieren wir einen Collateral Damage: Dann haben diese paar Prozent, die es freiwillig machen, auch im Queer-Bereich, wo Sexarbeit ja was ganz anderes ist, keinen Job. Damit habe ich Schwierigkeiten. Als Feministin bin ich dafür, dass eine Frau mit ihrem Körper anstellt, was sie will. Wie gehen wir damit um? Frage!
Breymaier: Falsche Frage. Wir hatten in Deutschland auch schon mal den Zwergenweitwurf. War eine Möglichkeit für kleinwüchsige Menschen, Geld zu verdienen. Und es ist untersagt worden, weil es die Menschenwürde verletzt.
Bis Anfang März, genauer gesagt, dem 7. März, arbeiten Frauen, verglichen mit Männern, ohne Bezahlung. Die große Kluft, der Gender-Pay-Gap, ist in Baden-Württemberg sogar noch größer. Lassen Sie uns also über Geld reden.
Wolf: Wo fangen wir da an? Das hängt doch alles miteinander zusammen. Ich seh's in meinem Freundeskreis. Alle kriegen Kinder, alle sind emanzipiert, klar, und am Ende des Tages geht doch er arbeiten, weil er schon immer mehr verdient hat. Aus ökonomischer Sicht clever, aus feministischer nicht. Aber wo fangen wir an? Mit der gleichen Bezahlung, mit Bildung, mit Bestrafung von Männern, die nicht mithelfen im Haushalt?
Wolz: Dahinter steckt auch die gesellschaftliche Bewertung von Arbeit. Für das, was ich studiert und an Zusatzausbildungen habe, verdiene ich einen Witz. Und andere, die männlich konnotierte Berufe haben, verdienen das Doppelte. Die Frage ist also: Wie wird Arbeit verglichen? Es kann doch einfach nicht sein, dass die ganzen Care-Berufe so schlecht bezahlt werden.
Breymaier: Wir leben hier in Deutschland immer noch mit dem nationalsozialistischen Frauenbild, wonach Frauen Mütter sind und allenfalls Zuverdienerinnen. Wir müssen das Ehegattensplitting abschaffen und wir brauchen eine neue Definition von Vollzeitarbeit. Baden-Württemberg hängt beim Gender-Pay-Gap auch deshalb ganz hinten, weil wir zwar eine hohe Erwerbsquote von Frauen haben, aber eine riesige Teilzeitbeschäftigung bei ihnen. Ja, es ist total viel zu tun. Aber dann kämpfst du wieder gegen die AfD im Bundestag und vertust viel Energie beim Verteidigen des Bestehenden.
Wolz: Ein Drittel der Frauen, die über 40 Jahre gearbeitet haben, kriegen unter 1.000 Euro Rente. Dann hast du wieder diese ökonomischen Abhängigkeiten, dann trennen die sich nicht und bleiben in Gewaltbeziehungen. Es reicht nicht, wenn ein paar Feministinnen auf die Straße gehen, es muss ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden.
Wolf: Kunst, Kultur, Bücher – wie viele Frauen haben unter männlichen Pseudonymen geschrieben, weil sie wussten, so verkaufen sich die Bücher besser?
Wolz: Es geht eben immer um Machtstrukturen. Auch im sozialen Bereich. Die Chefs der Caritas, die Leiter von karitativen Einrichtungen, das sind komischerweise immer Männer. Und dafür liebe ich dann auch wieder Fraueneinrichtungen, weil da klar ist: Da kommt nicht wieder so ein Typ, der sich obendrauf setzt, das bleibt in Frauenhand. Aber auf der anderen Seite kriegt das, was ökonomisch rumkommt, nicht den Wert.
Wir haben gestritten, wir waren uns in manchem einig. Wie sieht der Blick in die Zukunft aus?
Wolz: Wir sitzen hier alle als weiße Frauen, an diesem Tisch sitzt keine Woman of Colour. Wenn wir in die Zukunft blicken, ist es wichtig, auch diese Perspektive mit reinzunehmen.
Wolf: Deshalb ist der intersektionale Feminismus so wichtig. Es gibt in dieser Gesellschaft eben verschiedene Diskriminierungsformen, die müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.
Breymaier: Wir Frauen rennen hier auf dem Fußballfeld herum und schauen, dass wir für alle Diskriminierten der Welt etwas erreichen. Und die Männer sitzen auf der Zuschauerbühne, und wenn sie freundlich sind, dann klatschen sie nett. Aber wir werden das alles nicht schaffen, wenn wir die Männer nicht in die Pflicht nehmen. Die müssen von der Zuschauerbühne runter aufs Spielfeld.
Ohme-Reinicke: Ein ganz zentraler Satz für mich, der gefallen ist, lautet: Wir müssen heute viele Errungenschaften verteidigen, vor allem gegen rechts. Und deshalb auch nochmal mit drei Ausrufezeichen der Appell: zusammenzuarbeiten, nicht gegeneinander. Und nicht vergessen: Alles, was heute gefordert wird, steht unter der Prämisse der Kriegsökonomie. Wer gleiche Bezahlung, gleiche Rechte für alle fordert, mehr Frauenhäuser – die Erklärung wird immer sein: Aber wir müssen ja den Krieg gewinnen.
10 Kommentare verfügbar
Leo Kottke
vor 3 WochenWas Pornos von heute (für die, die es nie tun einfach mal auf einschlägige Seiten surfen, sind kostenlos und haben keinerlei Altersbeschränkungen) mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen macht ist überall zu sehen.
- Junge Menschen (hauptsächlich Mädchen…