Herr Reinhardt, Sie haben von Taliban einen Blumenstrauß bekommen. Wie schafft man das?
Das weiß ich nicht. Aber es ist passiert. Ich war Ende Juni, Anfang Juli für 14 Tage in Afghanistan für eine Reportage über das Schulprojekt Ofarin. Das wurde 1996, also unter der ersten Talibanherrschaft, von dem deutschen Mathematikprofessor Peter Schwittek gegründet und läuft bis heute. Die Idee: Vor allem Mädchen lernen in Moscheen lesen, schreiben und rechnen. Durch die Moschee hat das Projekt die Unterstützung der örtlichen Mullahs und die Eltern tun sich leichter, ihre Töchter lernen zu lassen. Das ist unglaublich beeindruckend und wir sind dorthin gefahren für das Projekt "Bildung verändert", in dem es um die Wirkung von Bildung in den ärmsten Ländern geht. Erschienen ist die Reportage in der Frankfurter Rundschau.
Und in der Schule haben Sie Blumen bekommen?
Nein. Das war in den Bergen in einem Krankenhaus. Dorthin bin ich alleine gefahren, weil ich fand, es reicht, wenn einer sich dem Risiko aussetzt.
Wieso Risiko?
Das Hospital liegt etwa 65 Kilometer weg von Kabul und war auch schon vor dem jetzigen Abzug der westlichen Truppen Talibangebiet, also Kriegsgebiet.
Wie kommt man dann dahin?
Ich war 1997 das erste Mal in dem Hospital, in der Zeit, als die Taliban die Macht übernommen hatten, bis die USA sie dann 2001/2002 vertrieben haben. Damals war es schwierig, nach Afghanistan einzureisen. Die Taliban waren damals isoliert, es gab keine Visa, der Flughafen war zerstört. Also sind wir nach Peschawar in Pakistan, wo die Taliban ein Büro hatten. Da musste man vorreiten und sagen, was man wollte, also dass wir Journalisten waren. Die sagten dann nicht "Ja" oder "Nein", sondern "Wir arbeiten dran". Manchmal sagten sie irgendwann "Nein", bei uns sagten sie "Ja". Damals wollten wir zu dem Hospital Chak-e-Wardak. Für die eigentlich kurze Strecke brauchte man einen Tag mit dem Auto, weil es keine Straßen gab. Das Hospital hat Karla Schefter, eine deutsche Krankenschwester, seit 1989 aufgebaut in einem ehemaligen Wasserkraftwerk von Siemens. Das muss man sich vorstellen: Eine Frau hat sich durchgesetzt in dieser extremen Männerwelt! Aber es wurde akzeptiert – weil es dort in der Region sonst keine medizinische Versorgung gibt. Dort arbeiten afghanische Ärzte und Ärztinnen, Pfleger und Pflegerinnen. Dass da Frauen arbeiten, wussten die Taliban auch damals, aber sie schlossen die Augen, wohl weil das Hospital notwendig war. Es heißt, das Krankenhaus versorgt 100.000 Menschen in der Provinz.
Kommen wir zu Ihrem jüngsten Besuch. Wie sind Sie jetzt, Ende Juli, dorthin gekommen?
Ich hatte über meine Kontakte in dem Hospital angefragt, ob ich kommen darf. Meine Kontaktleute haben dann die Taliban, die direkt daneben eine Station haben, gefragt. Und es hieß, ja, ich könne kommen, die Taliban würden für meine Sicherheit garantieren.
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