Weil das allein offenbar noch nicht beleidigend genug ist, um jenes dreiste Geschwätz abzukanzeln, das noch "den Verderb einer ganzen gelehrten Generation zur Folge" haben werde, prägte der mutmaßlich etwas neidische Schopenhauer, der in seinen Vorlesungen als Professor nur einen Bruchteil der Studierenden zu begrüßen hatte, erfolgreich den Begriff der "Hegelei": als Ausdruck für "unverständliche, mystifizierende Sprache, die den Eindruck von gedanklicher Tiefe, Komplexität und Wichtigkeit erzeugen soll, tatsächlich aber weitgehend inhaltsleer ist", wie Wikipedia aufklärt, was allenfalls minimalen "Erkenntnisgewinn ermöglicht und oft sogar im Gegenteil zu gedanklicher und begrifflicher Verwirrung führt".
Hegel hingegen wollte nie so recht auf derlei Provokationen eingehen, verfasste weniger polemische Tiraden als ganzheitliche Wissenschaft und erklärte auch noch, wie letztere leichter zu verstehen ist: "Der philosophische Satz, weil er Satz ist, erweckt die Meinung des gewöhnlichen Verhältnisses des Subjekts und Prädikats und des gewöhnlichen Verhaltens des Wissens. Dies Verhalten und die Meinung desselben zerstört sein philosophischer Inhalt; die Meinung erfährt, daß es anders gemeint ist, als sie meinte, und diese Korrektion seiner Meinung nötigt das Wissen, auf den Satz zurückzukommen und ihn nun anders zu fassen."
Wo ein Edding liegt, ist das Pimmelbild nicht weit
Im Stuttgarter Hegelhaus, wo man sich gerade auf den 250. Geburtstag des Philosophen freut, den es im nächsten Jahr zu feiern gilt, bemüht sich eine Ausstellung aktuell darum, einen noch niederschwelligeren Zugang in die Hegelsche Gedankenwelt offenzulegen: Was wäre wohl, wenn man seine Tübinger WG mit Schelling und Hölderlin in die Gegenwart beamen könnte?, lautet die zentrale Frage. Im Keller gibt es daher viele Weinflaschen, im Obergeschoss noch mehr Bierkästen und eine Playstation mit einem Zitat von … Schiller? "Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Aber passt schon. Hegel hat ja auch Sachen von Schiller gelesen, und daher fragt ein Zettel nun: Was hätte er wohl von Videospielen gehalten?
An den Wänden kleben gefühlt 6000 orange-rote Zettel mit dem Slogan "#geistesblitz", es soll ja attraktiv für die Jugend sein, und darum gibt es auch einen "Live-Philosophenpodcast" mit den Musikern der Orsons (Auszug: "Für mich ist Hegel, ich vergleich das mit einer Art Berg, wo ich immer, oft abrutsch und ich gar nicht so 'nen Eingang finde, man muss so kleine Höhlen finden, und es gibt aber die Möglichkeit, und zwar, indem man mit anderen Leuten ... spricht, weil, ähm, auch wenn's literarisch nicht wirklich, sag' ich mal, … ästhetisch ist für die heutigen Leser, weil die nur noch in 140 Zeichen irgendwas lesen, ist aber das Gedankengut ganz … toll. Brillant teilweise, richtig schön").
Wen das zu eigenen Geistesblitzen inspiriert, der hat im Erdgeschoss Gelegenheiten, selbige auf einer Holztafel für die Nachwelt zu erhalten. "Philosophie ist was für Trottel!", hat jemand draufgekritzelt, und nun pinkelt ein Penis auf die Aussage. Nebendran wird Nietzsches berühmtester Satz – "Gott ist tot" – Karl Marx zugeordnet, und auch hier, genau, ein Penis. "Das Gesetz des Phallus" hat einer aufgeschrieben, und kam – zack, bumm, #geistesblitz! – auf die Idee, ein paar Buchstaben im Wort "Phallus" durch, drei Mal dürfen Sie raten!, einen Penis zu ersetzen. Wieder einmal beweist sich:
Wo ein Edding herumliegt, ist das Pimmelbild nicht weit. Unterzeichnet wurde dieses Sammelsurium geistreicher Aphorismen, da war tatsächlich jemand originell, übrigens mit: "Liebe Grüße, Schopenhauer." Beleidigungen sind eben auch nicht mehr das, was sie mal waren.
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