Joachim Petzold kann es noch gar nicht fassen. Am 4. Dezember hat er die Kulturinsel, in eigenen Worten "eine der wenigen übriggebliebenen Subkultur-Oasen der Stadt", im Cannstatter Bezirksbeirat vorgestellt: "Alle Fraktionen haben sich positiv geäußert!" Öfters mal in diesem Jahr stand Petzold kurz davor, alles stehen und liegen zu lassen und auf seinen Bauernhof in der Pfalz zu ziehen. Etwa als im Februar die alte Güterabfertigungshalle auf dem Kulturinsel-Gelände der Abrissbirne zum Opfer gefallen war – weil eine schnurgerade geplante Straße im zukünftigen Wohngebiet Neckarpark mit Blick auf den Rotenberg, Stammsitz der Württemberger, nicht verlegt werden konnte. Oder als die Bäume gefällt wurden.
Doch im Grunde seines Herzens ist der Gründer und Geschäftsführer der Kulturinsel ein positiv denkender Mensch. Dass die Halle weg kam, das Urban-Gardening-Projekt Inselgrün nicht dort bleiben durfte, wo es war, dass eines Tages die Kulturinsel nicht mehr eine Insel auf einer Brachfläche sein wird, sondern im Häusermeer: er hat es akzeptiert und möchte das Beste daraus machen. Aber dann gab es Ende September erneut Ärger wegen der Lautstärke einer Open-Air-Veranstaltung, der "Jangala". Und Petzold wusste noch immer nicht, wie es mit dem Inselgrün weitergeht. Das zermürbt.
Doch er und seine MitstreiterInnen sind nicht untätig geblieben. Anfang September riefen sie Anhänger und Nutzer auf, sie mit Supportvideos zu unterstützen. 38 Videos wurden gedreht, von Initiativen wie Commons Kitchen und dem Hiphop-Netzwerk Underground Soul Cypher über Cannstatter Pfarrer, die Caritas und die Basler Mission bis hin zu Vertretern großer Unternehmen wie Bosch oder Dinkelacker. Auf der Kulturinsel treffen viele Menschen und Organisationen zusammen. Sie alle würden etwas verlieren, wenn es sie nicht mehr gäbe.
Die Stadt passt auf, dass sich keine Eidechsen ansiedeln
Doch bis Mitte Oktober war immer noch nicht klar, wo das Inselgrün denn nun hin sollte. Während Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf der Kulturinsel mit den Aktivisten von Fridays for Future diskutierte, stand der Garten gleich nebenan, wo noch Mangold und Blumenkohl reiften, vor dem Aus. Es gab eine Zusage, dass er an anderer Stelle wiederaufgebaut werden dürfe. Doch wo, das erfuhr Petzold erst zehn Tage, bevor das Areal abgeräumt sein sollte. Fünf volle Tage waren die Leute vom Stadtmessungsamt beschäftigt, erzählt er, um den neuen Standort, einmal quer über den Parkplatz, exakt auszumessen. Mindestens ein Jahr soll der Garten da bleiben, voraussichtlich eher drei.
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