Es lässt sich nicht wegdiskutieren: Willi Hermann (1907 - 1977) war ein überzeugter Nationalsozialist, NS-Propagandist und Antisemit der übelsten Sorte und keineswegs nur ein "aktives Rädchen" während der NS-Zeit, wie der Ehrenrat der Konstanzer Niederburg-Narren, Marc Ellegast, in seiner Petitionsbegründung verharmlosend schreibt. Die Petition haben bislang rund 530 Personen unterschrieben. Überwiegend wird die Meinung vertreten, dass die Lieder ein Teil der fasnächtlichen Kultur seien und bewahrt werden müssten.
Wer sich die Mühe macht und die einzelnen Begründungen für den Beibehalt der Hermann'schen Schenkelklopfer: "Mädle wenn vuu Konstanz bisch, warum kaasch Du it küsse..." liest, erfährt einiges über den geistigen Zustand nicht aller, aber doch mancher Kulturbewahrer. "Es sollte endlich mal gut sein mit dem Nazi-Scheiß", schreibt einer. Mit an vorderster Front auch Marcus Nabholz, Präsident der Narrengesellschaft Kamelia Paradies und CDU-Hinterbänkler im Konstanzer Gemeinderat. Er merkt an, wenn Opern des bekennenden Antisemiten Wagner aufgeführt werden, dann könne man auch Hermann-Lieder fröhlich weiterträllern. Die Vergangenheit des Liederschreibers, so ein anderer, sei "völlig egal". Oder: "Bei der Bundeswehr werden heute Lieder gesungen, welche auch im II. Weltkrieg Verwendung fanden. Weiter so!"
Mit der journalistisch soliden Berichterstattung des "Südkurier" zum Fall Hermann sind manche nicht einverstanden, und so bezeichnet ein anonymer Petent die Medien als "Propaganda-Organ der amtierenden Politik", die nichts anderes seien als "Marionetten der internationalen Finanzeliten (Soros, Rothschild usw.) Deshalb: Weitersingen". Auch der in der Region bekannte Musiker Jürgen Waidele äußert sich: "Alleine schon die erste Strophe: Rings um den Bodensee ist die Welt so schön ... Text, Melodie und die Harmonien, die man dazu spielen kann – jazzig und einfach geil."
Nicht alle Narren sind reaktionär
Immer klarer zeigt sich, dass bei der Causa Hermann auch ein Riss durch die Narrengesellschaften geht: Traditionalisten contra Erneuerer. Für letztere steht mit Norbert Heizmann, der auch Programmchef der Narrengesellschaft Niederburg e.V. ist, einer der bekanntesten Fasnachter im Kreis Konstanz und weit darüber hinaus. Das kritische Onlinemagazin Seemoz hat ihn um seine Einschätzung zum Thema gebeten, und die fällt deutlich aus.
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Mario Koch
am 19.02.2020