Mission erfüllt? Alles auf einem guten Weg? Ganz so einfach läuft das nicht im pietistischen Korntal. Denn nicht alle sind zufrieden mit der Höhe der Entschädigungen, die von 5000 bis 20 000 Euro reichen. Noch haben sich wenige der Korntaler Heimkinder zu Wort gemeldet, der Brief ist noch zu frisch. Doch bereits jetzt sind die Reaktionen gespalten. Als Almosen empfindet es der eine, mit dem doppelten Betrag hat er gerechnet, die Mutter und die Geschwister nie kennengelernt – so wenig soll dieses Leid wert sein? Ein anderer beschwichtigt, jetzt bitte keine Aufregung, es gehe schließlich voran, und sie wollen endlich, endlich mit diesem traurigen Kapitel ihres Lebens abschließen.
Schließlich dauert ihr Kampf um Anerkennung des Leids und eine Aufarbeitung der Korntaler Heimgeschichte schon vier Jahre lang. Und immer wieder brechen die alten Verletzungen auf, die Angst vor dem dunklen Keller, die Demütigung des bloßgestellten Bettnässers, die Ohnmacht, weil einem niemand glaubt. Es kostet Kraft, immer wieder das kindliche Opfer zu sein.
Kontext berichtet von Anfang an über die Aufarbeitung der Missbrauchsvorfälle in den Kinderheimen der Evangelischen Brüdergemeinde in Korntal. <link https: www.kontextwochenzeitung.de dossiers missbrauchsskandal-in-korntal.html external-link-new-window>In einem Dossier haben wir die wichtigsten Artikel zusammengefasst. Die Klageandrohung von Detlev Zander wegen Kindesmissbrauchs vor vier Jahren, die den Prozess ins Rollen bringt. Die Aufarbeitung der Landshuter Erziehungswissenschaftlerin Mechtild Wolff, die nach einem Jahr gescheitert ist. Die ehemaligen Heimkinder, die sich gegenseitig bekriegen. Die Täterorganisation der evangelischen Pietisten und ihre Kultur des Wegschauens und Schweigens. Es ist eine Chronologie der Vorwürfe, der Verschleppung und des Streits.
Und der Streit ist noch nicht zu Ende. Wenn es ums Geld geht, brechen alte Wunden auf. Brigitte Baums-Stammberger will aktuell noch nichts sagen zur Resonanz auf die Zahlungsbescheide, "dazu ist die Zeit bisher zu knapp", schreibt sie. Außerdem ist ihre Arbeit längst nicht abgeschlossen. Sie hat schon weitere Gespräch mit Betroffenen in ihrem Terminkalender stehen. Und auch die Vergabekommission wird wieder zusammenkommen, wenn weitere ehemalige Korntaler Heimkinder Entschädigung beantragen. Anfang Juni dieses Jahres wird Professor Benno Hafeneger das Ergebnis seiner Recherchen über die Täterorganisation öffentlich vorstellen und den Betroffenen und der Evangelischen Brüdergemeinde in Korntal übergeben. "Ich glaube", sagt Brigitte Baums-Stammberger, "dass wir eine realistische Chance haben, dass es zu einer Befriedung kommt."
3 Kommentare verfügbar
Werner Hoeckh
am 20.04.2018Dies bestätigt ein Schreiben des Jugendamtes Stuttgart an das Hoffmannhaus in Korntal vom 20.05.1965, welches mir im Orginal vorliegt.
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