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Es geht voran

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Drei Jahre schleppt sich die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Korntal nun schon dahin. Seit April geht es zügiger voran. Das liegt an den beiden Aufklärern. Und womöglich daran, dass die Evangelische Brüdergemeinde 2019 ihr 200-Jahr-Jubiläum feiert.

Im Schneegestöber sind sie vor wenigen Tagen über den Korntaler Weihnachtsmarkt gezogen. Knapp ein Dutzend ehemalige Heimkinder, die an einem Adventssonntag auf ihre Leidensgeschichte in den Heimen der Evangelischen Brüdergemeinde aufmerksam machen wollten. Im Großen Saal, wo die Pietisten Gottesdienst feiern, stellte die eine der beiden zerstrittenen Opfergruppen Kerzen auf. Auf einem Zettel war zu lesen: "Wie kann ein Aufarbeitungsprozess gut gelingen, der Betroffene ratlos, hilflos und ungehört zurücklässt?"

Doch auch wenn die Kritik nicht verstummt: Das Tempo zieht an in Korntal, seit im April mit Brigitte Baums-Stammberger und Benno Hafeneger zwei kompetente Aufklärer ihre Arbeit aufgenommen haben. Die ehemalige Richterin Baums-Stammberger zieht zum Jahresende Bilanz: "Wir sind auf einem guten Weg." 82 ehemalige Heimkinder haben der 70-Jährigen bis heute von Demütigungen, Schlägen und sexuellen Übergriffen berichtet, die ihnen im Flattich- und im Hoffmannhaus in Korntal zugefügt wurden. Viele sind überrascht von der Empathie der forsch wirkenden Jugendrichterin a.D., die nun Ansprechpartnerin der ehemaligen Heimkinder ist. Es geht um Anerkennung ihres Leids und eine angemessene Entschädigung.

Café Pax von außen

Wer traut hier wem?

Ausgabe 318, 03.05.2017
Von Susanne Stiefel

Die Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe in den Heimen der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal geht in die zweite Runde. Am Wochenende sollen erste Ergebnisse präsentiert werden. Einige ehemaligen Heimkinder boykottieren die Veranstaltung. Ihr Vertrauen in die Brüdergemeinde ist geschwunden.

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Benno Hafeneger hat in den vergangenen acht Monaten viele Meter Archivmaterialien gesichtet. Sein Job ist es, die Strukturen zu untersuchen, die solche Übergriffe möglich gemacht haben, ohne dass jemand eingeschritten ist. Dazu hat sich der Marburger Erziehungswissenschaftler in die Akten des ehemaligen Landesjugendamtes vertieft, ist ins staats- und ins landeskirchliche Archiv abgetaucht, hat sich bei den Aidlinger und Großheppacher Schwestern kundig gemacht und die Unterlagen der Brüdergemeinde geprüft. Spannend dürften auch die Gespräche sein, die Hafeneger mit inzwischen 16 ehemaligen ErzieherInnen, LehrerInnen und verantwortlichen LeiterInnen bei der Evangelischen Brüdergemeinde geführt hat. Hafeneger hat nur noch wenige Archivbesuche vor sich. Mit der Auswertung seiner Recherchen hat er bereits begonnen. "Erste Kapitel sind auch schon geschrieben", sagt er gegenüber Kontext, "unser Ziel ist es, den Bericht bis zum 1. Juni fertigzustellen." Dann will auch Brigitte Baums-Stammberger ihre Gespräche mit den ehemaligen Heimkindern ausgewertet haben.

Die sollen Grundlage sein für die Vergabekommission, welche die Höhe der Entschädigung (zwischen 5000 und 20 000 Euro) festlegen wird. Dort hat Ende November der Rücktritt von Ex-Ministerin Katrin Altpeter für Aufregung gesorgt. Sie beklagte mangelnde Transparenz und gab zu Protokoll, in den Aufarbeitungsprozess in Korntal nur rudimentär Einblick zu haben.

Der weltliche Vorsteher der Brüdergemeinde, Klaus Andersen, blickt dennoch zuversichtlich zurück und ins neue Jahr. Das Aufklärungsteam sei kompetent, die Arbeit im vergangenen Jahr mit allen Höhen und Tiefen gut gelungen. Und vor allem: "Ziel der Auftraggebergruppe und der Evangelischen Brüdergemeinde ist es, dass wir im Frühjahr 2018 zu einem dokumentierten Abschluss des Aufarbeitungsprozesses kommen." Nachdem der Aufklärungsprozess lange verschleppt wurde, kann es nun nicht schnell genug gehen. Vielleicht trägt dazu bei, dass die Brüdergemeinde im Jahr 2019 ungestört ihr 200-jähriges Bestehen feiern möchte.


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