Wer sieht müder aus? Die Schulklasse am ersten Montag nach den Ferien oder Katharina Sieverding, die Künstlerin, die sich nach einer durchzechten Nacht in Bars und Kneipen selbst portraitiert hat? Zwei Meter hoch, daneben hat sie einen leeren Spiegel montiert, in dem der Betrachter die eigenen Augenringe zählen kann. Mohammed zieht im Spiegel seine Mundwinkel runter, ganz hoch zu einem breiten Grinsen, wieder ganz runter, Mahamouds Spiegelbild macht Hampelmann-Fitnessübungen. Ganz klar: Die Schulklasse ist hellwach und erstaunlich gut drauf. Dabei ist es der erste Montag nach den Osterferien, halb zehn vormittags, beste Voraussetzungen, um hirnmäßig noch durchzuhängen.
Von wegen. "Heute morgen komme ich ins Klassenzimmer und meine Schüler sagen: 'Habibi, mein Lehrer, ich hab dich vermisst!' Oder: 'Endlich wieder Schule.' Und: 'Ferien sind doof.'" Klassenlehrerin Natascha Popovic erzählt das nicht nur lachend, sondern auch gerührt. Kommt ja nur selten vor, dass sich Schüler die Freizeit weg- und die Schule herwünschen.
Die Vabo Null, die Alphabetisierungsklasse der Gottlieb-Daimler-Schule 1 in Sindelfingen, ist auch für Popovic, nach mehreren Jahrzehnten im Beruf, etwas Besonderes. Und immer wieder sind die Schüler für eine Überraschung gut. Kürzlich zum Beispiel auch wieder. Am Anfang des Schuljahrs hatte die Lehrerin das Thema Geburtstag durchgenommen. Alle haben ihren genannt und irgendjemand aus der Klasse muss sich den der Lehrerin aufgeschrieben haben. Denn als sie kurz vor den Osterferien 48 wurde, haben ihre Schüler sie morgens mit Glückwünschen und großem Hallo empfangen. "Ich hatte Tränen in den Augen. So was Schönes."
Wie, keine Selfies?
"Alle mal herhören", sagt Steffen Braun, "hier kommen ein paar Museums-Regeln. Erstens: Handys lautlos." Elf Hände verschwinden in Hosentaschen, drücken Knöpfe. "Die Kunst nicht anfassen", elf Köpfe nicken einverstanden. "Und wichtig: nicht fotografieren." Wie nicht fotografieren? Große Entrüstung. Waaaas? Echt? "Echt", sagt Steffen Braun und versucht "Urheberrecht" möglichst einfach zu erklären.
Plötzlich geht eine andere Schulklasse hinter der Gruppe vorbei in Richtung Ausstellung. Mahamoud, 15, reckt den Hals vorbei und haucht ein ehrfürchtiges "Mädchen ..." zwischen Steffen Brauns Ausführung zu Künstlerrechten und erntet viele lange Jungen-Hälse. Inaam, eines von nur zwei Mädchen der Klasse, will wissen, ob jetzt echt überhaupt gar keine Fotos erlaubt sind? "La'a, keine Fotos", sagt Braun. "Und jetzt yalla, yalla!" Zwei von ein paar arabischen Worten, die unsere Projektleiter mittlerweile gelernt haben: Yalla, auf geht's, und la'a, das heißt nein. Kann man immer brauchen.
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