Sind für diese Fans alternative Fakten keine Lügen?
Es gibt relativ viel Forschung zu der Frage, was Menschen als Lüge einordnen. Beispiel: Wenn es um das gesellschaftliche Miteinander geht, etwa jemand ein Kompliment macht, obwohl er anders denkt, dann ist die Intention der Unwahrheit pro-sozial – und wird nicht als klassische Lüge eingestuft. Lügen beginnt für viele dort, wo die Intention des Sprechers, der unwahre Dinge sagt, ist, anderen zu schaden oder sich einen Gewinn zu verschaffen. Wer sogenannte alternative Fakten zielgerichtet nutzt, um sich Vorteile zu verschaffen oder anderen zu schaden, der lügt also im Sinne der Kognitionsforschung. Dazu kommt bei Menschen mit einer strengen Ideologie wie gesagt: Man stellt Autoritäten nicht in Frage, in der Politik und anderswo. Nach dem Motto: Vater hat immer Recht. Wer Trumps strenges Weltbild teilt, der hat oft keinen Grund, den Präsidenten in Frage zu stellen.
Die sozialen Medien tragen zur Information, aber auch zur Desinformation bei – und einem Leben in der Filterblase ständiger Selbstbestätigung ...
Ja, es ist wie in der Echokammer, und das ständige Wiederholen ein und derselben Ideen stärkt diese im Kopf der Menschen. Die Wissenschaft spricht hier von Hebbian Learning: Sprachliche Wiederholung verändert das Gehirn physisch. Je öfter wir Dinge denken, desto wahrer und relevanter werden sie für uns – auch, wenn sie im echten Leben nicht besonders relevant sind. Und was früher ein Gespräch im Freundeskreis war, ist heute eben das Internet und die sozialen Medien – was im Zweifelsfalle die Dauerbeschallung mit dem eigenen Weltbild bedeuten kann. Das Internet von heute bringt auch andere Probleme mit sich. Zum Beispiel führt das Konsumieren von Gewalt im Netz – von Hasskommentaren bis zu Köpfungsvideos – zu einer Abstumpfung und Empathielosigkeit, die der Gesellschaft nicht guttun.
Ist die Demokratie in Gefahr?
Naja, man sollte die Kirche im Dorf lassen. In Deutschland allemal. In den USA ist es vielleicht ein wenig kritischer, weil mit Trump ein Präsident an der Macht ist, der unter anderem unmissverständlich manche demokratischen Kontrollmechanismen angreift. Wir müssen einfach sehen, wie sich hier alles entwickelt. In Europa geht gerade ein Ruck durch die Gesellschaft, viele Menschen werden politischer, auch als Antwort auf die nationalistischen Töne der Rechtspopulisten.
Wie können wir diesen politischen ideologischen Mustern und Bildern entgegentreten?
Wer die Werte von nationalistischen Gruppen nicht teilt, der sollte sie nicht sprachlich propagieren. Sprich: Hände weg von den Schlagwörtern des politischen Gegners! Stattdessen sollte man der eigenen Weltsicht eine klare Stimme geben. Wer mit den Wertevorstellungen der AfD ein Problem hat, etwa weil Menschen als nicht in ihrer Würde gleich wahrgenommen werden, der sollte auf genau diese Punkte hinweisen. Jeder kann in der Politik diejenigen Inhalte und Probleme, die ihm besonders wichtig sind, zum Thema machen. Ein möglicher Inhalt ist das Problem menschenfeindlicher Einstellungen in Deutschland und die Frage, wo solche Denkmuster herrühren und wie sie die Werte der Empathie und Freiheit gefährden, auf denen unser Miteinander aufbaut.
Sollte das also auf den Lehrplänen stehen?
Jeder sollte wissen, wie das eigene Denken funktioniert und welche Rolle eine saubere, ehrliche Sprache für das demokratische Miteinander spielt. Das sollte Inhalt im Schulunterricht sein. Und Werte wie die Empathie kann man bereits im frühen Kindesalter fördern. Und wer beruflich in besonderem Maße für unsere Demokratie relevant wird – wer etwa in die Politik oder den Journalismus geht –, der sollte neben den Grundkenntnissen zu Gehirn, Sprache und Entscheiden auch die moderne Werte- und Ideologieforschung kennen, um Sprech- und Denkmuster im öffentlichen Diskurs oder auch einfach nur die eigene Programmatik besser zu durchdringen.
5 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 10.05.2017Wenn nicht die Sprache, die erlernt wird, von jenen gedeutet wird, und das auch noch hoheitlich, die über ein äußerst geringes Sprachverständnis verfügen! [b](⁴)[/b]
Wenn nicht die Sprache, die erlernt wird,…