Herr Krauthausen, was stört Sie an dem Bundesteilhabegesetz?
Es fängt bereits bei dem Titel an: Wenn man ihn hört, denkt man vielleicht erst mal: "super." Doch wenn man dann genauer hinschaut, handelt es sich in Wirklichkeit um ein reines Spargesetz. Der Titel verspricht Teilhabe, aber die Positionen und Argumente von Menschen mit Behinderung werden überhaupt nicht berücksichtigt.
Woran zeigen sich diese Probleme denn konkret?
Es sind sehr viele Punkte. Zunächst einmal ist aufgrund der angestrebten Rechtslage völlig unklar, wer in Zukunft überhaupt Leistungen beziehen wird. Das Teilhabegesetz geht hierbei von der "5 von 9"-Regel aus. Das heißt: Leistungen bekommt nur, wenn von neun Tatbeständen mindestens fünf erfüllt. Für Menschen mit Behinderungen bedeutet das eine große Unsicherheit. Dann soll es zum sogenannten Pooling kommen: Das bedeutet, dass Menschen mit bestimmten Behinderungen sich dann Assistenzkräfte teilen sollen.
In bestimmten Konstellation kann Pooling ja durchaus sinnvoll sein.
Ja, natürlich kann es sinnvoll sein. Zum Beispiel, wenn es bei einer Veranstaltung Gebärdendolmetscher für mehrere Gehörlose gibt. Oder wenn sich Leute einen Fahrdienst teilen. Aber aus dem aktuellen Entwurf ergibt sich nicht ohne Weiteres, dass die Betroffenen ein Mitspracherecht hierbei haben: Wenn es kostengünstiger ist, werden Betroffene sich eine Assistenzkraft teilen müssen.
Wird über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden?
Ja, ganz genau. Das zeigt sich auch darin, dass nun der "Ambulant vor stationär"-Grundsatz nicht in dem Entwurf zum Teilhabegesetz verankert wurde. "Ambulant vor stationär" bedeutet dabei, dass es dem Betroffenen grundsätzlich ermöglicht werden soll, ambulant, also in den eigenen vier Wänden versorgt zu werden. Durch das neue Gesetz wird dies nicht garantiert, sodass letztlich auch hierüber die Kosten entscheiden werden. Und in der Regel ist die Unterbringung mehrerer Menschen mit Behinderung in Stationen rein wirtschaftlich gesehen günstiger. Menschen werden mit diesem Gesetz ohne ihre Zustimmung in Heime verbracht werden.
3 Kommentare verfügbar
Schwabe
am 02.10.2016Für (die Minderheit) behinderter Menschen gibt es beim Brandschutz keinen Platz!
Die Diktatur des Kapitals (Politik der "marktkonformen Demokratie") und der "politischen Justiz" lässt Grüssen!