Ich habe in einem Büro gearbeitet und schon morgens bildeten sich manchmal Schlangen, wie auf einem Amt. Manche standen zwei Stunden an, kamen dann wieder und standen wieder an, weil alles nur langsam geht, weil es keine richtigen Dolmetscher gibt. Bestenfalls ehrenamtliche, meistens aber andere Flüchtlinge, die besser Englisch oder sogar Deutsch können. Aber wenn eine Frau auf der Flucht Gewalt erfahren hat, dann möchte sie es doch nicht irgendeinem Mann erzählen, der einen Stock weiter oben wohnt und vielleicht ihren Ehemann kennt. Dann erzählt sie lieber nichts. Auch wenn es um Frauenthemen geht, möchte man doch mit einer Frau sprechen. Es gibt viele, die unter Traumata leiden. Nicht nur die Frauen, auch Kinder, Männer, ganze Familien.
Manche von ihnen kommen andauernd vorbei, warten ewig wegen Kleinigkeiten, sie wollen Nähe, Ansprache und Wärme. Das nervt natürlich, wenn man arbeiten muss und viel zu tun hat. Aber es ist verständlich, denn keiner hat Zeit für sie, keiner hat die Zeit für ein Gespräch. Alleine einen ALG-II-Antrag auszufüllen dauert ewig, vor allem, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht.
Religiöse Werbeflyer sind verboten
In der Unterkunft haben alle möglichen Organisationen Hausverbot. Die Zeugen Jehovas lassen ihre Info-Flyer mittlerweile in Dutzenden Sprachen drucken und an Flüchtlinge verteilen. Mittlerweile ist in dieser Einrichtung das Verteilen von religiösen oder ähnlich gelagerten Werbe-Flyern und Materialien komplett verboten.
Es gibt viele Ärzte, die super sind, die mit den Menschen toll umgehen können. Aber manchmal, wenn ich in Arztpraxen angerufen habe, um einen Untersuchungstermin auszumachen, habe ich mich nicht mit dem Namen der Organisation gemeldet, weil es auch viele Ärzte gibt, die Flüchtlinge nicht behandeln. Dabei müssten sie das, diese Ärzte verstoßen gegen ihren Eid. Warum darf es das geben? Es heißt dann: Keinen Termin mehr frei oder das machen wir grundsätzlich nicht. Ich habe irgendwann angefangen zu sagen, ich rufe für eine Freundin an. Manchmal haben die Sprechstundenhilfen spitzgekriegt, was ich wollte. Dann hieß es, oh, man habe sich getäuscht, doch alles voll. Manche Ärzte und Ärztinnen drohen oft schon am Telefon, dass sie, sollte der erste Termin aus irgendwelchen Gründen nicht wahrgenommen werden, keinen zweiten mehr vereinbaren werden. Das liegt an der notorischen Unpünktlichkeit der Geflüchteten, die sind da anders als wir. Ich weiß nicht, warum es viele Menschen aus anderen Ländern so oft nicht schaffen, pünktlich zu sein, keine Ahnung, es ist ein echtes Phänomen, aber es ist eben so. Ich verstehe es, dass dann ein Terminplan in einer Praxis durcheinanderkommt. Aber es muss doch möglich sein, auch damit umzugehen. Jeder geplatzte Termin beim Arzt oder auf einem Amt bedeutet wieder wochenlanges Warten.
Die Wartelisten für einen Platz in der Schule, im Kindergarten sind ewig lang. Die Kinder sitzen in den Einrichtungen rum, lernen nichts, und warten sehnsüchtig. Bis ein Erwachsener in einen Integrationskurs darf oder einen Sprachkurs besuchen, dauert es manchmal bis zu einem halben Jahr. Wieder ein halbes Jahr warten! Eine Frau mit vierköpfiger Familie stand so oft bei mir im Büro und hat gefragt, wann sie denn nun endlich zum Integrationskurs dürfe. Es gibt von einer Flüchtlingsorganisation kostenlose Lernmaterialien. Die Familie hatte alles schon x-fach durch. Ehrenamtliche, die Deutschkurse geben, sind toll, aber sie sind kein Ersatz für Profis. Einen pensionierten Lehrer als Hilfe zu haben, ist purer Luxus. Außerdem wollen viele Ehrenamtliche keine Kinder unterrichten, weil sie laut sind und wuselig. Erwachsene sind einfacher.
Viele wollen sich ihre Vorurteile und Ängste nicht nehmen lassen
Die Leute hier in Deutschland haben Angst. Alleine in meinem Umfeld gibt es genug, die nicht verstehen können, warum wir mit Flüchtlingen arbeiten. Die auch kein Interesse daran haben, sich ihre Vorurteile oder ihre Angst nehmen zu lassen. Sie hören überhaupt nicht zu, wenn man etwas erzählt, wollen nur ihre Wut rauslassen. Die Geflüchteten sollen wegbleiben, die sollen was schaffen gehen. Sie sagen, die Flüchtlinge sollen froh sein, dass sie hier sind, zufrieden mit dem was sie kriegen, denen geht es doch gut genug, besser als daheim!
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Gela
am 08.09.2016