19. April: Erste Warnstreiks beim "Mannheimer Morgen", in Stuttgart bei "Zeitung" und "Nachrichten", plus Redakteure von der "Südwestpresse" und vom "Schwarzwälder Boten". Die Kerntruppe um SWMH-Konzernbetreuer Uwe Kreft (Verdi) mobilisiert überzeugend. Allerdings vermissen die KollegInnen eine zentrale Streikversammlung, die vorher auf Landesebene vereinbart war. Der BDZV bietet nichts Verhandlungsfähiges an.
In der Druckindustrie schiebt sich die Lohnrunde in den Vordergrund, was hilfreich hätte sein können, denn in einigen Schwerpunktbetrieben waren DruckerInnen und JournalistInnen bereit, gemeinsam um mehr Geld in der Brieftasche zu kämpfen. Leider wird das nicht genutzt, es gibt gezielte Kritik an dieser verpassten Chance.
27. bis 29. Juni: Die Baden-Württemberger verabreden sich, drei Tage zusammenhängend zu streiken. In Stuttgart und Oberndorf schaffen sie es, andernorts nur tageweise.
Am 28. Juni findet eine Sternfahrt aus Hessen und Bayern nach Ulm statt, wo sich die Streikenden aus 18 baden-württembergischen Zeitungen treffen und dem Bericht des DJV-Hauptgeschäftsführers Kajo Döhring sowie des dju-Bundesvorsitzenden Ulrich Janßen lauschen. Döhring gibt sich kämpferisch, benennt die 4,5 Prozent als "Muss" und fordert die Basis auf, alles für dieses Ziel zu geben. Kompromisse seien etwas für Weicheier.
Da macht einer dicken Backen, angesichts der realen Lage: Es gibt bundesweit zu viele Zeitungsverlage, in denen kaum oder keine Redakteure und Redakteurinnen organisiert sind, wo die beiden Journalisten-Organisationen auch keine Netzwerke oder Kampfstrukturen entwickelt haben. Es gibt zu viele Zeitungsverleger, die aus der Tarifbindung ihrer Verbände ausgetreten sind. In Baden-Württemberg sind von rund 50 Verlagen fast die Hälfte geflüchtet.
Streikziel verfehlt, die Mitglieder sind sauer
Für die Verhandler auf der Gewerkschaftsseite entsteht so eine schwierige Lage: hier einige starke Streikregionen, dort nichts – ein gutes Ergebnis für alle zu erreichen wird zur Quadratur des Kreises. Die Streikfähigen sind es aber leid, immer nur die Last für einen mäßigen Bundestarif zu schultern. Dann, einen Tag später, am 29. Juni 2016, in Berlin: Habemus monetam. Ein Gehalts- und Honorartarifvertrag ist abgeschlossen.
Sein bescheidenes Ergebnis in Zahlen: Von Januar bis Mai 2016 gibt es nichts. Ab dem 1. Juni eine Erhöhung der Gehälter der RedakteurInnen von 1,5 Prozent für 15 Monate. Ab dem 1. August 2017 eine lineare Erhöhung der Gehälter von 1,7 Prozent für fünf Monate. Die Honorare für freie JournalistInnen und PauschalistInnen an Tageszeitungen werden um die gleichen Sätze angehoben. Weiter gekürzt werden Urlaubsgeld und 13. Monatsgehalt, sodass am Ende ein Zuwachs von 0,3 Prozent bleibt.
Und was ist jetzt mit dem Nachholbedarf? Nichts! Das Streikziel ist verfehlt, die Mitglieder sind sauer, die Diskrepanz zwischen Forderung und Ergebnis ist ihnen nicht vermittelbar. Verständlich ist jetzt die Kritik in den Streikhochburgen Stuttgart und Oberndorf, in denen verlangt wird, das umzusetzen, was in den regionalen Tarifkommissionen beschlossen wurde. Warum nicht einen Pilotabschluss in Baden-Württemberg? Warum kein Konzernabschluss in der SWMH, anstatt sich das Ergebnis immer wieder durch Nichtstreikende verwässern zu lassen? Solche Nagelproben würden viele gerne wagen, um nicht wieder mit einem "gerade noch akzeptablen Ergebnis" (DJV) dazustehen. Sehr kurze Hosen für die Funktionäre.
Gerhard Manthey war bis Ende 2014 Leiter der Fachabteilung Medien beim Verdi-Landesverband in Stuttgart. Wie viele Tarifverhandlungen er bestritten hat, kann er nicht mehr zählen.
Info:
Scharfe Kritik an der Streikführung der Gewerkschaften übt der Betriebsratschef des "Schwarzwälder Boten". In einer persönlichen Bewertung schreibt Thomas Ducks, der Abschluss schwäche die Kampfbereitschaft "massiv". Viele KollegInnen fühlten sich von den Hauptamtlichen "hinter die Fichte geführt". Sie schafften damit, was den Verlegern nicht geglückt sei: ein Zerfallen der Streikbewegung. <link file:26198>Sein Brandbrief steht unter diesem Link.
4 Kommentare verfügbar
Egbert Manns
am 09.07.2016