Basim ist 15, kommt aus Syrien und hat noch nie in seinem Leben Gitarre gespielt – bis ihm Matthias Ulrich Bohner vor ein paar Wochen eine in die Hand drückte. Im Hobbyraum des Flüchtlingsheims für unbegleitete Minderjährige in Vaihingen spielen sechs Jungs überzwerch am Tischkicker, während Basim und sein Kumpel auf einem Sofa bei Bohner sitzen und sich erklären lassen, wie man F-Dur greift. Kein leichtes Spiel für einen Gitarren-Frischling. Am kniffligen F-Dur-Akkord hat sich jeder Gitarrenschüler schon schmerzhafte Fingerkrämpfe zugezogen. Doch der 15-Jährige mit den schwarzen Nike-Air-Max-Schuhen setzt konzentriert seine Finger aufs Griffbrett und entlockt der Akustikgitarre einen astreinen Klang.

Kannst du einen, kannst du alle: Barréakkorde.
Der Gitarrenunterricht findet zum dritten Mal im Hobbyraum des Heims statt, und Bohner ist von den Socken: "Das ist der Wahnsinn, im Grunde kann er jetzt schon alle Akkorde, ich bin völlig überflüssig", sagt der 33-Jährige und zeigt dem Metallica-Fan eine anspruchsvolle Flamenco-Spieltechnik. Basim heißt eigentlich anders, aber bei minderjährigen Flüchtlingen ist das Stuttgarter Jugendamt zurückhaltend. "Da kommt Rhythmus ins Blut", ruft Bohner laut, und alle lachen. Die für Rockmusik typischen, aber vereinfachten Powerchords will der Gitarrenlehrer dem jungen Syrer nicht beibringen. "Sonst lernt der nur noch die und denkt, dass er nicht mehr üben braucht", sagt Bohner. Anders als sein syrischer Schüler hat er mit Heavy Metal nix am Hut.
Wenn Matthias Ulrich Bohner nicht an der Gitarre zupft, dann arbeitet der promovierte Physiker für ein Bioinformatik-Unternehmen und beschäftigt sich mit freier Energie und komplizierten Simulationstechniken. Außerdem ist er großer Spanien-Fan und Gitarrist einer Flamenco-Tänzerin aus Stuttgart. Die Frage, was ihn bewegt, hier im Vaihinger Flüchtlingsheim Gitarrenunterricht zu geben, existiert für ihn nicht. "Helfen ist Pflicht. Ich kann meine eigene Menschenwürde doch nur proklamieren, wenn ich sie auch für meine Mitmenschen einfordere", sagt er und erzählt, wie er einen Vaihinger Flüchtingsfreundeskreis besuchte, um zu erfahren, wie er helfen kann. "Ich kann halt Gitarre spielen", sagte Bohner damals und wurde von der begeisterten Hort-Leitung sofort verpflichtet. Der Flamenco-Physiker besorgte sich zwei weitere Gitarren, dann ging's los. Jetzt wird jeden Montagabend die Klampfe ausgepackt. Wer von den 18 Jungs im Haus Lust hat, kann mit Bohner rocken.
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Malniski
am 16.02.2016