Die Explosion war nur eine Frage der Zeit. Wenn 1800 Flüchtlinge über Wochen auf engem Raum zusammen gedrängt leben, mehr als 600 Menschen zu viel, dann liegt Spannung in der Luft. Dann genügt ein Funke, dass es knallt. Im August gab es tumultartige Auseinandersetzungen in der Erstaufnahmestelle in Suhl. Ausgelöst hat den Streit ein Flüchtling, der Seiten aus dem Koran gerissen und ins Klo geworfen hatte. Es kam zu einer Schlägerei. "Das Heim war überfüllt", sagt Adelino Mussavira, "das war nur eine Frage der Zeit." Auch in Suhl kamen in diesem Jahr immer mehr Flüchtlinge an.
Wenn Adelino Mussavira anfängt zu erzählen, ist er nicht mehr zu stoppen. Soviel ist passiert, seit der "Zeit"-Journalist Wolfgang Bauer im vergangenen März hier im Thüringischen Suhl aus seinem Buch gelesen, in der hiesigen Volkshochschule von seiner Recherche als Flüchtling übers Meer berichtet hat. Und Mussavira, den alle nur Adelino nennen, der ehemalige DDR-Vertragsarbeiter aus Mozambique, der Diakon, der in der Erstaufnahmestelle Suhl Flüchtlinge betreut und im März mit Wolfgang Bauer diskutiert hat – er weiß nicht, wo anfangen. Der Streit im Flüchtlingsheim hat auch seine Arbeit geprägt.
Der Thüringer Pegida-Ableger hat die Chance genutzt, um mal wieder mit dumpfen Parolen gegen die Islamisierung des Abendlandes auf die Straße zu gehen. Seit März hatten die Rechtspopulisten keine Demonstrationen mehr in Suhl organisiert. Nach den Krawallen im Flüchtlingsheim versammelten sich 300 Demonstranten unter der Thügida-Fahne. Für Adelino ist jede Thügida-Demo eine zu viel. Er protestierte mit knapp 200 anderen gegen die Ausländerfeinde und sagt heute fast trotzig: "Hier in Suhl ist die Hilfsbereitschaft nach wie vor groß." Ehrenamtliche organisieren zweimal im Monat Sport mit den Flüchtlingskindern, sie sammeln Kleider und was in der LEA sonst noch alles gebraucht wird.
Und seit September gibt es auch eine Teestube in den ehemaligen Offizierskasernen. Dort treffen sich Flüchtlinge und Einheimische, reden und spielen miteinander, trinken gemeinsam Tee. "Das ist wie ein Magnet ", sagt er, "es kommen täglich bis zu 80 Menschen." Die Teestube ist eine kleine Insel der Ruhe und der Begegnung, auf die Adelino besonders stolz ist.
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